Es war vor 30 Jahren, als Darrel Toulon, künstlerischer Leiter und Chefchoreograph der Tanzkompanie der Oper Graz, „Community Dance“ in London kennenlernte. Es dauerte also lang, bis ihm ein Thema für eine Umsetzung in Graz mittels dieser Tanz-Form berechtigt und stimmig genug erschien und bis er im Rahmen von „andrämusik“ in der Andräkirche den geeigneten Ort gefunden hatte.
„Diese Kirche verträgt einiges“, wie der kunstaffine und vor allem auch dem Zeitgenössischen gegenüber offene Pfarrer Hermann Glettler in seinen Begrüßungsworten und vielschichtig interpretierbar betonte. Überdies sei es nun eine geeignete Zeit, nämlich Ostern, das ja mit Ausgrenzung und Flucht unmittelbar zu tun habe. Und es ist weiters, in mehrfachem Sinne „höchste Zeit“: Denn dass Toulons Konzept von besonderer Tragkraft, weil auch Aktualität ist, hat noch einen Grund, erarbeitete er doch seine Idee für und gemeinsam mit 10 GrazerInnen zwischen 15 und 29 Jahren, die nun zwar in der Gemeinde St. Andrä beheimatet sind, aber zum Großteil Migrationshintergrund haben.
Im Oktober schon gab es erste Gespräche mit zahlreich Interessierten, ab Jänner 3 Wochen lang erste Proben jeweils 5 Stunden am Tag. Die letzten 3 Wochen waren dann noch intensiver – am 11.April fand in einer vollen Kirche die heftigst und teilweise stehend beklatschte Premiere statt.
Dass Tanz, wenn man ihm die Möglichkeit gibt, ureigene Geschichten des sich darauf Einlassenden offenbart, davon ist Toulon nicht nur überzeugt, sondern er hat dies auch zielführend und nachhaltig in Bewegung (um-)gesetzt; besonders unmittelbar vielleicht auch durch die eigenen Erfahrungen des „Fremd-Seins“ auf den langen Wegen, die er selbst im Zuge seiner Ausbildung und erster Engagements von seiner Heimat auf Dominica bis Graz zurücklegen musste. Jedenfalls entblätterten sich in dieser choreographischen Darbietung Seiten von größter Mannigfaltigkeit : nachvollziehbare, individuelle performative Umsetzungen um und über Flucht, Ängste, Kämpfe, Verzweiflung, Suche, Einsamkeit, aber auch Unterstützung und Zuwendung. Zum Teil unterlegt von Texten der Darsteller, erzählten diese in berührenden, überaus authentisch wirkenden, zum Großteil sehr komplexen und kreativen Bewegungs- und Tanzsoli allein oder mit anderen Teilnehmer und „unterstützt“ von fantasievollen „SesselKonstruktionen und -Verwendungen , was sie zu und von ihrem Weg hierher zu erzählen haben.
Ihnen allen gemeinsam ist das Ankommen in diesem Land durch ein „offenes Tor“: versinnbildlicht durch Stühle, zwischen denen zum Sitzen zu kommen allerdings auch zu ihrem Erfahrungsschatz zählt. Gemeinsam sind ihnen Wünsche und Träume – wunderbar handfest realisiert in einem in den „Himmel ragenden (Sessel-)Turm – und die in einem abschließenden, gemeinsamen Tanz umgesetzten Hoffnungen wie auch ihre bewundernswürdige Lebensfreude.
Darrel Toulon: „Through the Open Door“ am 11. April in der Andräkirche Graz