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patchworkMathieu ist 16 und das beschauliche Leben mit seinem Vater Jacques findet ein jähes Ende, als Kim und ihr achtjähriger Sohn Marc in die Wohnung einziehen. Die neue Familie löst (nicht nur) bei dem Jugendlichen ein gewaltiges Chaos aus, das in „Patchwork“ mit viel Humor und guter Laune vorgeführt wird.

Das Chos entfaltet sich anhand einer flexible Bühnengestaltung (Andreas Pamperl) aus Möbelstücken, die mit Luftpolstern und bunten Applikationen überzogen sind. In aktionsreichen und bestens getimten Szenen werden sie immer wieder in einem Affentempo über die Bühne geschoben, gehoben und geworfen, werden dem anderen unter der Nase oder unterm Hintern weggezogen. Nichts ist hier sicher vor dem Zugriff der anderen.

Es sind die kleinen Dinge, die unzähligen Missverständnisse, die nicht nur aufgrund des Sprachengewirrs aus Deutsch, Englisch, Französisch und Chinesisch eben passieren. Auch wenn sich Mathieu (Gabriel Scheib) immer einen Bruder gewünscht hat, so hätte es doch nicht so ein lästiges, laut kreischendes Energiebündel sein müssen. Das nervt. Die cuisine chinoise, die die neue „Mutter“ einführt ist wohl auch nicht nach seinem Geschmack. Mathieu will Pizza und Steaks statt Ingwer und Chinakohl.

Der quirlige Marc (Apollo Pamperl) düst über die Bühne, schmeißt sich auf jede Person, die sich gerade in seiner Angriffslinie befindet und klammert sich fest. Eigentlich will er nur spielen, aber der große Bruder hat keine Zeit. Als ihm Kim und Jacques diesen Gefallen tun, entwickeln sie ihr eigenes Spiel und Marc sitzt weinend in der Ecke.

Während Kim (Yap Sun Sun) versucht französisch zu lernen, praktiziert Jacques (Christophe Dumalin) Tai Chi. Während er sich über das französische Lehrbuch amüsiert, macht sie sich über das Übungsbuch „für Europäer“ lustig und versucht ihm zu zeigen, wie es wirklich geht.

Corinne Eckensteins Inszenierung spielt mit diesen oberflächlichen Reibereien, stellt deren Absurdität in den Vordergrund des Stücks und vermeidet damit jeden Pathos. Wenn sich am Ende so etwas wie Harmonie einstellt, weil man sich allmählich aneinander gewöhnt hat, passt das zum heiter-leichten Grundton des Stücks. Dann werden auch die einfachen choreografischen Sequenzen, die im Laufe des Stückes immer wieder auftauchen, (fast) perfekt im Quartett getanzt. Das Stück wurde von den Beteiligten gemeinsam erarbeitet, die alle Patchwork-Erfahrungen eingebracht haben. Im wirklichen Leben ist Gabriel Scheib der Sohn des Tänzers und Schauspielers Christoph Dumalin, und die Schauspielerin Yap Sun Sun die Mutter von Apollo Pamperl.

Man erlebt eine etwas verrückte, aber sehr sympathische  kunterbunte Family, die sich zusammenrauft. Die Geschichte wird aus der Perspektive des Jugendlichen erzählt, der die tragende Rolle einnimmt. Der talentierte Gabriel Scheib hat nicht nur das Zeug zum Schauspieler, sondern spielt auch Trompete. In das rasante Stück bringt er mit einem kurzen Trompetensolo einen wunderbaren Moment der Ruhe ein.

Theater Firefox "Patchwork", Dschungel Wien, 17. März 2011 (Uraufführung)

Weitere Aufführungen: 18., 19., 29., 30., 31. März sowie 1. und 2. April

www.dschungelwien.at