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sofamaschinelepkaMit der Inszenierung „Sofamaschine“ erinnert Hubert Lepka / Lawine Torrèn an ein Fest, das vor nahezu 350 Jahren in Wien stattgefunden hat und feierte zugleich „10 Jahre MQ“. Maschinen, MuskantInnen und Tänzerinnen paraphrasierten im Hof des Museumsquartiers die Hochzeit Kaiser Leopold I. mit seiner Nichte und Kusine, der spanischen Infantin Margarita Theresa.

Damals, im Dezember 1666 / 67, als der Habsburger Kaiser Leopold I seine spanische Verwandte, die 15jährige Margarita Theresa geheiratet hat, dauerte das Fest nahezu ein halbes Jahr. Die goldenen Kutschen wurden aus dem Depot geholt, auf dass es in der ganzen Stadt funkle, für die neunstündige Opernaufführung ließ Leopold ein eigenes Theater bauen und dann setzte er sich auch noch selbst aufs Pferd, um das allgemein bestaunte „Rossballett“ zu Ehren der spanischen Braut anzuführen. Mehr als 100 Streicher neben Trompeten, Flöten und anderen Blasinstrumenten spielten die „Arie dell’Balletto a Cavallo“ von Johann Heinrich Schmelzer. An die 200 Pferde und 600 Männer zu Fuß, alle in prächtigen Kostümen, tanzten synchron im Hof der Burg.

Jetzt, im Mai 2011, feiert das Museumsquartier seinen 10. Geburtstag ebenfalls mit Musik und Tanz, doch statt der Pferde tanzen die dahingleitenden Stapler und heben die TänzerInnen in den blauen Abendhimmel. Statt des gesamten Hofstaats ziehen die Enzos (Nachfolger der nach Daniela Enzi, zur Zeit interimistische Geschäftsführerin im Museumsquartier, benannten Sitz- und Liegemöbel im Haupthof) ein, getragen von den Staplern. Sie dienen als Kutsche und Pferd und gleich drauf als Bühnen hoch im Himmel. Eine „performative Architektur“ nennt Hubert Lepka das Schauspiel aus Tanz und Technik. Was irgendwie damit zu tun hat, dass bei diesem schönen Spektakel, die Maschinen näher sind als die Menschen, die entrückt (wie es sich für Kaiserinnen und Könige gehört) und unerreichbar sind. Ein wenig wird aus dem Leben der Infantin Margerita erzählt, doch allzu viel versteht man nicht, der Hof ist von allen Seiten umschlossen, das ergibt Hall und Widerhall. Kein höfisches Fest damals, kein Fest im Hof heute, ohne Musik. Blaskapellen sind aufgeboten und auch leise Gitarrenmusik, heutiger Gesang und Alte Musik.

Die Enzos schweben also über dem Platz, und bringen die künftige Kaiserin. Da freut sich auch das Volk – TänzerInen der Konservatorium Wien Privatuniversität – und begrüßt sie mit heftig wedelnden Armen und zuckenden Beinen. Zwei Blaskapellen leiten die Ankunft des Kaisers ein. Sie spielen den Marsch vom Prinzen Eugen, der war allerdings zur Zeit des kaiserlichen Hochzeitsfestes erst im Kindergarten. Macht aber nichts, wir sind nicht in der Geschichtsvorlesung, sondern in der Zeitmaschine, die es erlaubt das Vorgestern mit dem Heute zu verbinden, auch wenn damals kein Lufttänzer am Kran hängend seine Schleifen zog und von einer für Droschken ohne Pferde die Vorstellungskraft fehlte. Im Blau des Abendhimmels werfen die tanzenden Infantinnen scharfe Schatten an die Wand des MUMOK, der Kran hebt den Lufttänzer in schwindelnde Höhe, das Echo verdoppelt die prächtigen Klänge der rechts und links der Szene platzierten Blasorchestern, die Rossballett-Originalmusik mischt sich mit schmeichelndem Gitarrensound. Der Zauber wirkt. Die Inszenierung, im Auftrag des Tanzquartiers entstanden, wird zum Erlebnis.

Das „Rossballett“ zu rekonstruieren, scheint als Vorhaben etwas zu hoch gegriffen, doch wer kann sich den riesigen Aufmarsch damals überhaupt vorstellen? Jedenfalls ist klar, dass die blutjunge Frau mit Freuden in Wien einzieht, auch lautstark begrüßt wird, doch bald in Schwermut versinkt, bis der frühe Tod sie erlöst. Dass die Tänzerinnen, in ihren brokatenen Gewändern, nicht aus den luftigen Kutschen, Betten, Kirchenbänken, oder was immer die schwebenden Enzos gerade darstellen sollen, kippen, macht bewusst, dass hier doch Theater angestaunt wird und nicht das Leben.

Hubert Lepka hat mit seinem Team – den tanzenden Darstellerinnen Mirjam Klebe, Marion Hackl und Magdalena Chowaniec; den TänzerInnen der kons.wien.dancecompany, dem mächtigen Kran von Prangl und den sanft gleitenden und vorsichtig hebenden Staplern von Jungheinrich – (wieder einmal) bewiesen, das auch eine großräumige Freiluftinszenierung nicht zum hohlen Spektakel verkommen muss, das die ZuschauerInnen zum bloßen Glotzen verurteilt. Ein durchdachter Ausgangspunkt, ein intelligentes Konzept und künstlerische wie technische Perfektion können durchaus mit den im Guckkasten gebotenen Bühnenkünsten konkurrieren, die ZuschauerInnen auch packen und berühren. Dass das Ereignis nicht wiederholt werden kann, in seiner Einmaligkeit so flüchtig ist, wie das kurze Leben der spanischen Braut – Margareta Theresia starb an Heimweh und zu vielen Geburten mit 21 Jahren – macht es nahezu kostbar.

Hubert Lepka / Lawine Torrèn:  „Sofamaschine“, Tanzquartier Wien im MQ Haupthof, 25. Mai 2011.