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yakovlevasylphideDer Direktor der Wiener Staatsballetts Manuel Legris muss allmählich ins Schwitzen geraten, so viele hervorragende Tänzerinnen und Tänzer hat er zur Auswahl. Nicht nur für das romantische Ballett „La Sylphide“. Nach dem Paar Irina Tsymbal, schwebte Maria Yakovleva um Shane A. Würthner und die Tsymbal verführte Kirill Kourlaev. Grund zum Jubel gab es jedes Mal.

Auch in der 5. Vorstellung der laufenden Serie waren keinerlei Ermüdungserscheinungen im Corps zu bemerken. In fröhlichem Gleichklang tanzten die Damen und Herren im ersten Akt ihre volkstänzerischen Variationen und schwebten dann als Waldfeen (ohne Herren natürlich) durch das Dickicht. Choreograf Pierre Lacotte hat (auf Basis der Originalchoreografie von Filippo Taglioni) besonders im 2. Akt eine wunderschöne Geometrie mit langen Diagonalen und symmetrischen Tableaux geschaffen, die von den Tänzerinnen in beeindruckender Harmonie gemeistert werden und das weiße Ballett zu einem bezaubernden Schauvergnügen machen. Man darf das Corps de ballet samt den Halbsolistinnen getrost mehrmals vor den Vorhang rufen.

Eine Premiere hat ihre besonderen Bedingungen, gute und schlechte. Wie gelöst Tänzer und Tänzerinnen sein können, wenn das Lampenfieber abgeklungen ist und die Beckmesser zu Hause bleiben, machte Michail Sosnovschi als Partner von Maria Alati im Pas de deux des 1. Aktes besonders deutlich. Der Solotänzer hat seine Sicherheit und Sprungkraft wieder gefunden und Alati ist eine charmante technisch versierte Partnerin.

Bevor die SolistInnen in den Tanzhimmel gehoben werden, soll auch der Hexen gedacht werden. Thomas Mayerhofer und Andrey Kaydanovsykiy sind wirklich böse Weiber, die im 2. Akt auch triumphierend in die Luft springen dürfen, wenn sie dem in die Sylphide verliebten James den vergifteten Schleier andrehen. Das Publikum wusste das jedes Mal wohl zu schätzen.

Solide und fehlerlos entledigten sich Maria Yakovleva und Shane A. Würthner ihrer Parts. Würthner ist ein eleganter, etwas schüchterner James, der nicht so recht weiß wie ihm geschieht. Solotänzerin Yakovleva ist über jeden Tadel erhaben, eine liebreizende, etwas verschmitzte Sylphide, die Attitüde und Port de bras perfekt zeigt, aber nicht wirklich mit Leben erfüllt. Wesen und Seele des romantischen Tanzes hat sie noch nicht ganz erfasst.

Irina Tsymbal, aber, ich kann es nicht oft genug sagen, ist die Sylphide, in ihrer dritten Vorstellung noch schöner, noch unwirklicher, noch lebendiger als bei der Premiere. Gelockert und sicher, erlaubte sie sich den einen oder anderen schelmischen Blick und feiert ihren Triumph im 2. Akt so fröhlich, dass mir, wissend dass die Sylphide sterben muss, das Herz weh tut. „Magic“ sagte mein Nachbar. Das genügt.

Zum Feiern seines Debüts als James hatte Kirill Kourlaev allen Grund. Ob im Solo oder im Pas de deux mit Irina Tsymbal oder Natalie Kusch (als bezaubernde, übermütige und schnell getröstete Effie) – ihm gebührt die Palme für den James. Weder seine flüssigen Battements und sicheren Sprünge, noch seine intensive Gestaltung der Rolle sind neu. Und doch hat sich der Solotänzer noch gesteigert. Als James macht er Unbeschwertheit, Zerrissenheit und die endgültige aber fatale Entscheidung so fein und deutlich, dass ganz klar wird – diesem Mann muss die Sylphide verfallen. Irina Tsymbal / Kirill Kourlaev bieten gemeinsam mit Natalie Kusch nicht nur einen erhebenden Ballettabend sondern ein tragisches, romantisches Schauspiel, dessen Botschaft noch lange zu denken gibt.

Nächste Vorstellungen im Jänner 2012: 15., 23., 29.