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madsenStuttgarter Ballettwunder. Auch wenn er seinen 70. Geburtstag feiert,  denkt Egon Madsen nicht an einen Abtritt von der Bühne. Und er, der als klassischer Tänzer das „Ballettwunder Stuttgart“ unter der Leitung des legendären John Cranko mit begründete, wird auch nie gefragt werden, ob es nicht Zeit zum Aufhören wäre. Denn wie er bei seiner Geburtsgala erneut bewies, weiß er auch heute sehr genau, wie er sich ins rechte Licht setzt.

Es war ein rauschendes Geburtstagsfest, das die im Theaterhaus Stuttgart beheimatete Gauthier Dance Company, das Stuttgarter Ballett und die Mitglieder des ehemaligen NDT III Egon Madsen bereiteten. Doch natürlich ließ sich der sympathische Jubilar nicht einfach abfeiern, sondern wirkte bei seinem Fest an vorderster Stelle mit – er ist einfach der geborene Bühnenmensch. Den Anfang machte er als Tänzer mit der Gauthier Dance Company in Ausschnitten aus „Cantata“ in der Choreografie von Mauro Bigonzetti. Das vor Lebensenergie schier überbordende Stück – die wunderbaren TänzerInnen der Compagnie werden von der famosen italienischen Gesangsformation Assurd kongenial begleitet – bot einen fantastischen Einstieg in diesen gelungenen Abend jenseits sentimentaler Vergangenheitsschau. Egon Madson blickt zwar auf eine erfüllte Vergangenheit, steht aber im wahren Wortsinn mit beiden Beinen in der Gegenwart und hat für die Zukunft noch einiges vor.

Zuvor hatte der Leiter des Theaterhaus Stuttgart Werner Schretzmeier das Geburtstagskind in einer launigen Rede begrüßt und das Land Baden-Württemberg (in Person der Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch) es mit seiner höchsten Auszeichnung, der Stauffermedaille in Gold geehrt. Und das war's mit den Reden, sieht man von der jovialen und charmanten Moderation von Eric Gauthier ab.

Dass das Theaterhaus und nicht das Staatstheater Stuttgart die Gala veranstaltete, entspricht Madsens derzeitiger Hauptbeschäftigung als Tänzer und Coach der Gauthier Dance Company. Aber natürlich ließ es sich auch das Stuttgarter Ballett, wo der gebürtige Däne von 1961 bis 1981 gewirkt hatte und wo er im März dieses Jahres sein von Publikum und Presse umjubeltes Rollendebut als Hexe Madge in „La Sylphide“ gab, nicht nehmen an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Getanzt wurden Ausschnitte aus Werken, bei denen Madsens Interpretation Ballettgeschichte geschrieben hat, zum Beispiel als Gremio in „Der Widerspenstigen Zähmung“ – an diesem Abend von Arman Zazyan getanzt – oder in der Bruyères-Variation aus „Brouillards“ (Daniel Camargo). Spätestens beim Pas de deux von Sue Jin Kang und Jason Reilly aus John Neumeiers „Kameliendame“ wurde klar, dass das Ballettwunder auch in der jetzigen Generation des Stuttgarter Ensembles weiterlebt. Diese TänzerInnen verkörpern die Kommunikationsform Tanz vollendet, sowohl miteinander auf der Bühne als auch darüber hinaus mit dem Publikum. Das Stuttgarter Ballett ist einfach noch immer sehr speziell.

Eine besondere Freude für alle bot der Abschluss des ersten Teils der Gala, die 3. Szene aus dem 2. Akt von Crankos „Romeo und Julia“, der berühmten Sterbeszene Mercutios. Dessen Rolle war an diesem Abend doppelt besetzt: Eric Gauthier (auch er ein ehemaliger Solist bei der Stuttgarter Truppe) als draufgängerisch-kämpfender und Egon Madsen als bis zuletzt gegen den Tod kämpfender Mercutio. Hinreißend!

Ein besonderes Geburtstagsgeschenk war zum Abschluss Jiri Kyliáns legendär-komisches Stück „Birth-Day“, das wieder den Cast der Originalversion vereinte – Sabine Kupferberg, Gioconda Barbuto, Gérard Lemaitre, David Krügel und Egon Madsen. Kommentar von Eric Gauthier über das Zusammentreffen dieser Gruppe von jung gebliebenen TänzerInnen: „wie eine high school reunion“. In diesem Sinn ist wohl auch Kyliáns Choreografie mit Video entstanden – als ein Geschenk an diese außergewöhnlichen TänzerInnen.

Nach diesem Feuerwerk von Gags, witzigen Einfällen und Umsetzungen (entlang der feinen Linie zwischen Leben und Tod), war das zahlreich erschienene Publikum vor Begeisterung endgültig außer Rand und Band. Es dankte Egon Madsen und seinen Bühnenfreunden mit Happy-Birthday-Gesang und nicht enden wollendem Applaus. Den der Jubilar schließlich mit den Worten „es geht weiter“ quittierte.

Egon Madsen – Ein Tanzleben, Gala anlässliche seines 70. Geburtstags am 28. September 2012 im Theaterhaus Stuttgart

Zum Geburtstag ist auch das Buch „Egon Madsen. Ein Tanzleben. Biografie“ erschienen.