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superamastheatreSeit November tourt das französisch-österreichisch-belgische Performance-Kollektiv SUPERAMAS mit der neuesten Show, „Theatre“, durch Europa. Auch in Wien wurde kurz Station gemacht. Wie üblich pendelt die Performance zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem Geschehen auf der Bühne und Videoeinspielungen, zwischen echten Menschen und den Avataren eines Computerspiels, zwischen Renaissance und Gegenwart, zwischen Ost und West. Mit den Mitteln des Showbiz zeigen SUPERAMAS, was wir längst wissen: Die ganze Welt ist eine Bühne, alles auf Erden ist ein Spaß, wir sind die Getäuschten.

Der Beginn ist vielversprechend: Drei Bauchtänzerinnen wiegen sich während sie ihre Schleier ablegen. Lange dürfen wir uns nicht an den orientalischen Schönen weiden, denn es beginnt der Unterricht über die Blüte der Zentralperspektive in der Malerei der Renaissance. Als Demonstrationsobjekt dient ein Fresko von Filippo Lippi im Dom der toskanischen Stadt Prato: „Das Fest des Herodes“. Auch da wird der Entschleierungstanz aufgeführt, von Salome, der Stieftochter des Herodes. Und schon wird der Assoziationskette ein neues Glied angehängt: Richard Strauss hat eine Oper komponiert, über die Tänzerin, die den Kopf Johannes des Täufers als Lohn gefordert und bekommen hat. Aus  dem Off wird gesungen auf dem On der Bühne wird gemimt, gesprungen und getanzt.

Aber es geht doch, wie dem Programmzettel zu entnehmen ist, um die Illusion der Politik und die Politik der Illusionen und um den Wechsel der Perspektive. Also der Orient wird den Okzident retten. Konkret, bekannte Politiker (Muammar Gaddafi, Nicholas Sarkozy Ariel Sharon) treten auf, um bei einer Konferenz, Belgien aus der Krise zu helfen. Originalzitate aus dem Off und Filmeinspielungen verschmelzen mit der Live-Darstellung auf der Bühne. Vorne auf der Bühne agieren die Darsteller, hinten, auf der Videowand, spielen die Avatare „Wer schießt schneller“. Aha, in der Renaissance die vom Bilderahmen begrenzte Zentralperspektive, heute die digitalen Bilder, die unser Wahrnehmung lenken. Alles ist Manipulation. Wir sehen, was man uns sehen lässt.

Nein, nein, so ernst meint es das Kollektiv denn doch nicht. Schließlich ist „Theatre“ zu Unterhaltung da. Deshalb erfreut uns am Ende ein Wasserballett. Unter der sprühenden Fontäne turnen und rutschen die Nixen über die Bühne, auf der Videowand schwappt das Meer. Schön. Krieg ist ein Computerspiel, politische Manipulation ein Videoclip, die ganze Welt ein einziger Witz, wir sind als Narren geboren (Arrigo Boito, 1889).

Resümee des akustisch und optisch üppigen Spektakels: Es war nett. Im heftigen 3-D-Rausch, dem sich SUPERAMAS vor dem Bildschirm hingeben, entsteht lediglich ein buntes Spektakel. Der multimedialer Aufwand, der stetige Wechsel und das Ineinanderfließen von Realität und Virtualität gerinnt zum leidlich unterhaltsamen Abend. Unter der glitzernden Oberfläche ist Leere. Die bombastischen Worte aus dem Programmzettel, die versprechen „hinter der Illusion des Politischen die Wirklichkeit der Komödie oder des Dramas wiederzufinden“, können da auch nicht helfen.

SUPERAMAS: „Theatre“ mit Lucie Eidenbenz, Karen Lamback, Lieve de Pourcq, Faris Endris Rahoma, Bahar Temiz und Superamas. 11, Jänner 2013, Tanzquartier.