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gibanicaSich schämen im Paradies. Mit einer Preisverleihung endete Gibanica am 23. Februar im ehemaligen Laibacher Elektrizitätswerk Stara Elektrarna. Das Festival versammelte die lokale zeitgenössische Tanzszene sowie internationale Fachleute für drei Tage, die gekommen waren um die elf gewichtigsten slowenischen Produktionen der letzten 24 Monate geballt zu sehen.

Das  6. Gibanica-Festival prämiert nackte Arbeiten. Ausgezeichnet wurden Maja Delaks Vier-Personen-Stück „Shame“ und Mala Klines Solo „Eden“. Nach wie vor stehen performative Arbeiten hoch im Kurs, die anstelle von organischem Tanz mit brüchigen Bildern der Popkultur jonglieren. Sowohl „Shame“ als auch „Eden“ verhandeln Nacktheit als rohes Fleisch und als Projektionsfläche gesellschaftlichen Befindens.

Wenn Ingrid Berger Myhre in „Shame“ mit ihrem barocken Körper unbekleidet bis auf Turnschuhe zu schmalzigem Sound virtuos über die Bühne fegt und dabei Posen aus Werbeclips und Rockkonzerten zitiert, zertrümmert sie Klischees angepasster Weiblichkeit. Zu beobachten, wie sie auf einer Leiter balancierend vergeblich ihre Scham mit einem weißen Schleier zu verdecken sucht und sich dabei dermaßen verheddert, dass nur ein schmerzvoller, aggressiver Befreiungsschlag hilft, ist schockierend und komisch zugleich. Ähnlich aufwühlend zelebriert Mala Kline in „Eden“ im Kreise von sieben E-Gitarren das Rockkonzert-Format als Ritual. Souverän spricht, scherzt und flirtet sie in einer Mischung aus lässigem Bandleader und archaischer Medizinfrau mit dem Publikum und brandmarkt ihr Gesicht und ihre nackte Brüste mit hellgrünem Lack als ließen sich so die Dämonen der westlichen Zivilisation bannen.

Wiewohl auf den ersten Blick zurückhaltender erweisen sich besonders die drei Duette „Awaiting Resonance“, „The Very Delicious Piece“ und “Transland“ als interessante motorische Recherchen über lückenhafte Bewegungen oder überdrehtes Schütteln. Lediglich „Ottetto“ des einstigen Tanzpioniers Iztok Kova? versinkt im expressiven Vokabular einer überbordeten Tanztheater-Ästhetik.

Äußerlich sind dem exzellenten künstlerischen Output weder die drastischen Sparmaßnahmen noch der Schock über das jäh zugedrehte Tanzhaus im letzten Herbst anzumerken. In persönlichen Gesprächen herrscht jedoch Resignation und die Befürchtung, das Niveau könnte im Zuge der Krise sinken.

6. Gibanica Festival, 21. bis 23. Februar 2013 in Ljubljana, Slowenien

Dieser Text ist ein Originalbeitrag der Kleinen Zeitung vom 25. Februar 2013