Hauptkategorie: Kritiken

tanzbabyfootballIm Festspielhaus St. Pölten wurde das traditionelle Festival „Österreich TANZT“ zu Grabe getragen. Ein so fröhliches, intelligentes und befriedigendes Begräbnis ist selten zu erleben. Als Gesamtkunstwerk hat der scheidende Intendant Joachim Schloemer den Abend mit der Band Tanz Baby!, TänzerInnen, ChoreografInnen und den Performern Simon Mayer und Pieter Ampe konzipiert und damit das Publikum zu Begeisterungsstürmen hingerissen.

Sinnvoll und lustvoll. Was der Abend „Österreich tanzt Baby!“ alles zu bieten hatte, ist in seiner Fülle kaum zu schildern. Gezeigt wurde vor allem, dass Tanz und Performance durchaus nicht trocken und grau sein muss, sondern lustvoll und dennoch sinnvoll sein kann und das Publikum sich durchaus amüsieren darf. Hohen Anteil an diesem mit intelligenter Unterhaltung glänzenden Abends hatte nicht nur das Trio Tanz Baby!, das ohne Pause mit Akkordeon (Martina Winkler), Gitarre (Michel Krammer) und Gesang (David Kleinl) von der Liebe und der Sehnsucht erzählte, sondern auch die Auftritte der TänzerInnen und Performer begleitet hat. Mit zum allgemeinen Wohlgefühl hat auch die Lichtregie von Peter Thalhamer samt der Festspielhaus-Technik beigetragen. Tanz Baby! hüllte ihr Repertoire in plüschig-rote Baratmosphäre oder ließ die Discolichter kreisen, punktgenau blieben die Verfolger (Scheinwerfer) an den als nahezu feindliche Konkurrenten über die Bühne und durch den Zuschauerraum fegenden Zwischenspielern.

Mit diesen hat die Vorstellung auch begonnen. Durch einen unheimlichen und unheimlich wilden Schrei wurde zur Sache gerufen. Der Hörnerruf entstieg der Kehle eines Herrn mit Andreas-Hofer-Bart, der in Burundi geboren ist, jedoch in Belgien bei P.A.R.T.S studiert hat. Dort hat Pieter Ampe gemeinsam mit dem Österreicher Simon Mayer als Abschlussarbeit „O feather of lead“ präsentiert, 2011 war das Duo bei „Österreich TANZT“ zu sehen. Nun ist Ampe wieder im Festspielhaus St. Pölten und gibt gemeinsam mit Mayer den Pausenclown. Allein diese „Intermezzi“ lohnten den Besuch. Ampe lässt seine Stimmbänder auch Trompete spielen und später gab er gemeinsam mit Mayer ein großartiges Trompetendoppelkonzert zum besten, dargeboten in vertrackter Körperlage, während die Beine in der Luft tanzten. Da haben wir wieder etwas gelernt: Man kann auch in der Luft tanzen. Als Pendant zum Duo Jonathan Burrows & Matteo Fargion, das den Tanz im Sitzen, nur mit den Händen, zur Vollendung gebracht haben, zeigen Ampe & Mayer, dass auch im Schulterstand, nur mit Beinen und Füßen, wunderbar getanzt werden kann. Und natürlich spielte die Musik dazu.

Ein anderes Intermezzo lieferten Radek Hewelt und Filip Szatarski, die sich in einer allerliebst gebastelten Rakete zum Mond schießen ließen. Dass die beiden Performer am Ende wieder auf dem Bühnenboden gestanden sind beruhigt.

Wie sehr Sport und Tanz verwandt sind, konnte Ákos Hargitay mit den 14 American Football Spielern (plus einer Spielerin) der Generali Invaders St. Pölten zeigen. Die roten Teufel verwandelten die Bühne in einen Hexenkessel, immer schön im Takt, den Tanz Baby! Mal rockig presto, mal schmeichelnd lento von ihrer Bühne auf der Bühne vorgegeben haben. Die allgemeine Abschlussparade leitete die zauberhafte Stephanie Cumming mit einer eigenen Choreografie ein. Im schwarzen Glitzerbody erzählte sie, wovon die MusikerInnen den ganzen Abend schwärmten – der Liebe natürlich. Sie konnte, durfte nicht allein bleiben – die jugendlichen Footballspieler waren nicht mehr zu halten und der eindrucksvolle Abend löste sich in allgemeines Wohlgefallen auf.

Erkenntnis: Der Tanz ist noch lange nicht am Ende angelangt und die Möglichkeiten Bewegung zur Musik zu einem nicht nur unterhaltsamen sondern auch erlebnisreichen und sinnvollen Abend zu gestalten, sind vielfältig. Dem ausgetrockneten einst mit großem Engagement ins Leben gerufenen Festival „Österreich TANZT“ ist keine Träne nachzuweinen. Wie Österreich tanzt, ist dennoch wert, gesehen zu werden. Der Galaabend im neuen Musiktheater von Linz, an dem Kompanien aus allen Bundesländern aufgetreten sind, könnte, unter Einbeziehung freier Gruppen, Auftakt zur Begründung eine neuen Tradition gewesen sein.

Österreich tanzt Baby!, gesehen am 17. Mai 2013 im Festspielhaus St. Pölten