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iptdorisuhlichDoris Uhlich bringt 20 nackte Tänzerinnen und Tänzer auf die Bühne, um zu erforschen, was Tanz heute bedeutet, was der nackte Körper zu sagen hat und den Spuren nachzugehen, die im Körper, im nackten Körper, gesammelt sind. Auch die choreografin selbst zeigt sich in einer kurzen Szene in schwungvoller Nacktheit.

Schon lange träumt die ebenso renommierte wie junge Choreografin Doris Uhlich davon, 20 Menschen auf der Bühne zu versammeln, eine richtig große Show abzuziehen. Ohne Kostüm sollen sie auftreten, splitterfasernackt. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so. Nicht die Nacktheit ist das Problem, das ist längst gelöst, Nacktheit auf der Bühne ist im 21. Jahrhundert nicht mehr anstößig. Die Hürden stehen ganz wo anders, nämlich in der Bezahlbarkeit eines solche Ensembles, auch wenn es keinerlei Kostüme benötigt. Doris Uhlich hat einen Weg gefunden, 20 Körper von ausgebildeten TänzerInnen als Mittelpunkt und Inhalt einer einstündigen Performance zu zeigen. Die Initialzündung kam Uhlich vor zwei Jahren bei dem von ihr geleiteten ImPulsTanz-Workshop gleichen Namens: „More than naked“.

In subtil ausgeklügeltem Licht posieren und positionieren sich die 20 nackten Körper zu einem belebten Skulpturenpark. Bald wiegen sich die Körper zur Rockmusik, dann lassen sie ihr Fleisch wabbeln („fliegen“ nennt das die Choreografin), Pobacken zittern und werden gezittert, Brüste, Bauchfalten. Manche TänzerInnen haben es schwer, dieses wackelnde, wabbelnde, schwabbernde Fleisch zu zeigen – es ist kaum vorhanden. Klar wird schnell, dass 20 Nackte eine Einheit sind, mehr als nackt eben, und etwas ganz anderes als eine einzelne Nackte (ein Nackter allein). Klar ist auch schnell, dass die Tänzerinnen und Tänzer viel Freude an dem Spiel haben, das weit entfernt von jeglicher Erotik, in manchen Passagen sehr nahe der Akrobatik ist.

Die Möglichkeiten zitterndes Fleisch zu zeigen, den Körper des Gegenübers (Untendrunters, Obendrübers) zu bearbeiten sind nahezu unbegrenzt, doch eben nur nahezu. Auch das rhythmische Stampfen der gesamten Gruppe, das Klatschen der Körper auf den Boden und die Sprünge quer durch den Raum erschöpfen sich bald. Nicht so die Agierenden, sie werden durch ihre Lust den Körper zu bewegen, das Fleisch fliegen zu lassen, immer wieder von neuem angestachelt. Dass manche der flüchtigen Bilder an die „Wege zu Kraft und Schönheit“ der 1920er Jahre erinnern, ist kaum zu vermeiden. Nacktheit als Protestmittel funktioniert nicht mehr, doch ist es noch immer schöner und befreiender, selbst nackt zu sein, zu springen und tanzen, als Nackten dabei zuzuschauen. Was anfangs durch den Gleichklang und die professionelle Präsenz des Ensembles aufregend und beruhigend zugleich wirkt, Assoziationen und Vorstellungen erzeugt, wird in der ständigen Wiederholung bald öde. Was bleibt ist die Freude und Energie der TänzerInnen.

Doris Uhlich: „More than naked“, Uraufführung am 5. August 2013, im Rahmen von ImPulsTanz , Tanzquartier.