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wienmodernbrut shirokuroAuf Effekte und Kontraste setzt die Choreografin Nicole Beutler mit dem Lichtdesigner Jean Kalman in der Konzertperformance „Shirokuro“. Die niederländische Produktion wurde auf Einladung des Festivals Wien Modern im brut gezeigt und begeistert genossen.

Shirokuro ist der japanische Begriff für Schwarz-Weiß, für aufeinander prallende Kontraste. Mit einer wirkungsvollen Lichtchoreografie, die mit Licht und Dunkel spielt, einer beeindruckenden Musikperformance und dem Auftritt des niederländischen Tänzers Mitchell-Lee van Rooij entspricht die Performance ganz dem im Titel vorgegeben Motto.

Der großartige van Rooij antwortet in Buto-Manier vor allem mit den Armen und dem Oberkörper auf die hämmernden Rhythmen des Klaviers. Die Pianisten Tomoko Mukaiyama ist nicht nur Virtuosin am Instrument sondern auch Performerin. Ganz in Schwarz mit nacktem Oberkörper, die Brüste jedoch vom langen schwarzen Haar bedeckt, kriecht sie nahezu unsichtbar auf die finstere Bühne. Eine Hexenmeisterin auf dem Weg zu ihrem Zauberinstrumentarium. Das macht sie sich im allmählich aufdämmernden Licht untertan. Mit Armen und Fäusten bearbeitet sie die Tasten, ganz im Sinne der Russischen Komponistin Galina Ustwolskaja, deren Klaviersonaten Nr 5 und 6 Quelle und dominantes Ziel der Performance sind. Von Franz Schubert sind die leisen Töne, die den Ohren Erholung von den hämmernden dröhnenden Rhythmen gönnen. Van Rooij ist jedenfalls ganz im Einklang damit, gibt sich, ebenfalls schwarz gekleidet, den Kontrasten hin, taucht vom Licht ins Dunkel, bis er sich im weißen Hemd präsentiert und die Pianistin von ihrer Schwerarbeit am Instrument erlöst. Im Slow-Motion-Pas de deux wird die Stimmung friedlich, nur das Rascheln der herabfallenden Blätter (Käfer? Oder doch nur Papierschnitzel?) ist zu hören. In gemessener Langsamkeit hüllen Mann und Frau gemeinsam das schwarze Klavier in weiße Leinentücher, Leichentücher. Ein perfekter weißer Sarg. Für Galina Ustwohlskaja? Die berühmte Komponistin ist 2006 in St. Petersburg 87jährig verstorben.

So schön könnte die Performance enden. Doch das Team muss noch eine Coda anhängen, Sphärenklänge, lieblicher Gesang der Pianistin, Filmmusik. Da fühlt man sich richtig wohl und ärgert sich dennoch. Mit dieser Marmelade, die allzu süß schmeckt, ist die aufregende, auch bestürzende Performance in die Banalität gerutscht.

Nicole Beutler / Tomoko Mukaiyama / Jean Kalman: „Shirokuro“, 26. Oktober 2013, brut, im Rahmen von Wien Modern.