Hauptkategorie: Kritiken

theaterimbahnhofkMan nehme alle an Mütter gerichtete Erwartungen und Rollen-Zuschreibungen wörtlich und komprimiere diese zu Filmfiguren, dann müssten wohl Superheldinnen herauskommen. So zumindest, wenn das Grazer Theater im Bahnhof – höchst erfrischend - unter Monika Klengels Regie „Die Mütter“ inszeniert.

Fünf Frauen in wunderlichen Kostümen, die gerade von einer „Mission“ zurückkehren und die nun rein gar nichts mehr erschrecken kann: Beatrix Brunschko – in knackigem Neopren - war in der Branche Bohrturmwartung tätig, zehn Minuten ohne Luft und zwei Tonnen Druck können ihr nichts mehr anhaben. Frisch vom Polar hat Monika Klengel – in Pelz und Strickbody gehüllt - zurückgefunden. Direkt aus der Kampfzone, aus „Damned Valley“, hat sich Eva Maria Hofer auf die Bühne gerettet. Dort findet sich auch Gabriela Hiti wieder, die eintönige Zeiten als einsame Troglodytin hinter sich hat – und Juliette Eröd, die sich als Wanderzirkus-Universalkünstlerin verdingen durfte: als Seiltänzerin, Clownkostüm-Näherin und Pudel-Dompteurin. Kaum Vorstellbares, so hat es den Anschein, haben die glorreichen Amazonen überlebt. Man ahnt: Die Nebel lichten sich. Es kann nur besser werden.

Grundlage des Triptychons bildet eine kulturanthropologische Befragung dreier Generationen - der Mütter der fünf Darstellerinnen, ihrer selbst und ihrer Kinder – zu Themen wie Erwachsenwerden, Zukunft, Hoffnungen und Ängste. Das Ergebnis: ein Stück, in dem sowohl Gemeinsamkeiten, als auch Unterschiede zwischen den Generationen abgeklopft und in klug-witzigen Zitaten und mit der nötigen Selbstironie aufbereitet wurden. Die fünfköpfige Frauencombo des Theater im Bahnhof schlüpft höchst anschaulich in die Rollen, und die Negligés, ihrer eigenen Eltern. Auch vor den Röcken der Töchter und den Jeans der Söhne schrecken sie nicht zurück.

Es reflektieren und kommentieren einander die verschiedenen „Stimmen“, zuweilen verschwimmen die Rollen: Sind es die Mütter oder die Kinder, die weinerlich trotzig aufstampfen und „Ich bin immer die Letzte, die etwas erfährt“ rufen? Auch ein Blick auf die Historie der weiblichen „Befreiung“ wird geboten: Die Großmütter-Generation - in den 1930ern und 40ern geboren - hat studiert, um dem Heiratsmarkt zu entkommen oder geheiratet, um den Eltern zu entfliehen und um finanziell abgesichert zu sein. Einig ist man sich darin, dass man nicht wusste, was einen erwarten würde. Und als die Kinder flügge wurden, hat man sich arrangiert mit dem Gatten, hat wieder zusammengefunden oder ist auseinandergegangen.

Die Kinder, geboren in den 1990ern oder Anfang des dritten Jahrtausends, definieren sich als „ersten Generation, die im Neoliberalismus großgeworden ist“. Sie diskutieren über Klimawandel, Feminismus und das Zusammenbrechen des Wirtschaftssystems, Details der Begriffsdefinitionen sind dabei unwesentlich: „Ich bin auf jeden Fall Feminist! Was ist eigentlich Feminismus?“. Sie leiden unter Pisa und Bologna, zitieren Konrad Paul Liessmann („Keine Zeit mehr zum Denken.“) und blicken zwiespältig in die Zukunft: Während die Welt unweigerlich in einem globalen Desaster enden wird, sind die Erwartungen fürs eigene Leben durchaus optimistisch. Man will rasch nach oben, viel verdienen („Auf jeden Fall mehr als die Eltern!“) und was das Wichtigste ist: Weg aus Graz. Nach New York beispielsweise, oder zumindest nach Wien!

Schonungslos selbstironisch, bestechend charmant, klug pointiert, mit Geschichten von Superheldinnen wie sie das Leben täglich schreibt!

Theater im Bahnhof „Die Mütter“, 19.2.2014 brut Wien, Koproduktion von Theater im Bahnhof und brut Wien. Weitere Vorstellungen in Graz, am 26., 27., 28. Februar, 1.3., 4.3., 5.3., 13.3., 14.3., 20.00, Volkshaus, Lagergasse 98, www.theater-im-bahnhof.com