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dornroeschen  konovalova1Für diese Saison hat „Dornröschen“ ausgeschlafen, doch erst die letzten der sieben Vorstellungen der Serie, zeigten durch linientreue Perfektion auf der Bühne und nahezu glühende Wärme im Orchestergraben, was die Choreografie von Sir Peter Wright so bemerkenswert macht.

Englische Noblesse und die Inspiration durch die klassische Inszenierung von Marius Petipa (1890) machen diese Choreografie (doch) zurecht zu einem Juwel des internationalen Ballettrepertoires. Man muss sich einlassen auf Sir Wrights Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten und akzeptieren, dass er das Geschehen am russischen Zarenhof nach englischer Vorstellung gestaltet hat, damit dieses Feenmärchen so richtig genossen werden kann. Dass Wright unter Wahrung von Petipas Choreografie den beiden antagonistischen Schwestern, in der letzten Vorstellung von Alena Klochkova (die gute Fliederfee) und Dagmar Kronberger (die böse Carabosse) gespielt, pantomimische Rollen zuteilt, ist aus historischer Sicht verständlich. Funktionieren kann das dreistündige Spektakel aber nur, wenn nicht nur die Solistinnen sondern auch das Corps de Ballet ihrer schwierigen Aufgabe gerecht werden und mit dem Orchester harmonieren.

In der letzten Vorstellung dieser Saison blieben jedoch kaum Wünsche offen. Liudmila Konovalova, die schon die Premiere der Neueinstudierung im Dezember 2011 getanzt hat und wegen komplizierter Verletzungen lange Zeit nicht tanzen durfte, konnte vor allem im 2. Akt, wenn sie Prinz Florimund als Vision erscheint, bezaubern. Überzeugt aber auch als heiratsunwilliges junges Mädchen wie als heiratswillige junge Frau. Denys Cherevychko gibt dem Prinzen die nötige Melancholie und macht auch die aufblühende Liebe zu dem von der Fliederfeee herbeigezauberten Phantombild der Aurora glaubhaft. Sein Publikum aber begeisterte er in den Solovariationen des dritten Aktes mit den perfekt gesprungenen Grand Jetés. Dennoch vermisst man ihn als „Blauen Vogel“, den diesmal Richard Szabó fröhlich flatternd mit Rui Tamai als „verzauberte Prinzessin“ gegeben hat. Um die Vermählung nicht gar so abrupt auf den ersten Kuss folgen zu lassen, hat der heute bereits 88jährige Sir für die Neuauflage 2011 für Aurora und Florimund einen noblen Pas de Deux eingebaut, quasi ein Liebesduett vor dem Hochzeitstanz im 3. Akt.

Wie sehr die Qualität der Aufführung die Qualität der Choreografie klar macht, zeigt sich auch in den Divertissements im 3. Akt, wenn die Märchenfiguren ihren kurzen Auftritt haben. Wenn Anna Schepelyeva das Rotkäppchen tanzt, oder Eszter Ledán das weiße Kätzchen, dann ist nichts mehr peinlich oder lächerlich langweilig, sondern schlichtweg entzückend. Die sechs Feen im Gefolge der Fliederfee, wie ihre Begleiter nicht nur HalbsolistInnen sondern auch Damen und Herren aus dem Corps, machten ihren Namen alle Ehre. Und wieder einmal kann ich nicht umhin, Nina Tonoli (Fee des Ehrgefühls) ob ihrer Anmut hervorzuheben. Mit Eifer und Energie waren diesmal auch die vier Prinzen auf Freiersfüßen. Alexis Forabosco, Masayu Kimoto, Kamil Pavelka und Alexandru Tcacenco waren trotz der grauen Perücken (man ist eben noch im 18. Jahrhundert) gar nicht so leicht abzuweisende Heiratskandidaten. Gar nicht zaghaft sondern recht selbstsicher war auch ds Quartett des Pas de quatre (Reina Sawei, Prisca Zeisel; Greig Matthews, Alexandru Tcacenco). Letztlich ist diese gelungene letzte Vorstellung, die den richtigen Blick auf die Choreografie in der glanzvollen Ausstattung von Philip Prowse wieder freigegeben hat, auch dem Dirigenten Faiçal Karoui zu danken, der im Laufe der Aufführungsserie doch Feuer gefangen und dieses unter Bedacht auf die TänzerInnen auch im Orchester entzündet hat. Am Ende regnete es Gold vom Bühnenhimmel und Ovationen aus dem Parkett.

Wiener Staatsballett: „Dornröschen“ am 6. März 2014, an der Wiener Staatsoper. Letzte Vorstellung in dieser Saison.