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Kameliendame iconWas für ein Abend! Nach zwei aufregenden Pina-Bausch-Aufführungen und einer „Paquita“ stand an Tag 4 der diesjährigen BallettFestwochen einer von John Neumeiers schönsten Klassikern auf dem Programm: „Die Kameliendame“. Angesetzt als Heimspiel des rollenroutiniert aufeinander eingespielten Münchner Tänzerpaares Lucia Lacarra und Marlon Dino. Nachdem die beliebte Erste Solistin aber erkrankte und intern umzubesetzen keine Option war, kam es aufwühlend anders.

Eine selten wunderbare Einspringerin triumphierte als Marguerite Gautier. Alina Cojocaru – aus Bukarest stammende Primaballerina des English National Ballet, Welt- und regelmäßiger Gaststar des Hamburg Ballett – ist eine wahrhaft künstlerische und überwältigende Interpretin. Dabei strahlt der zierliche Hochleistungskörper der bald 35-Jährigen naturnahe Schlichtheit aus. Nicht gerade das, was man sich allgemeinhin unter einer erfolgreichen Edelkurtisane vorstellt. Doch sobald Alina Cojocaru die Bühne betritt, verkörpert sie die ihr angetragene Rolle mit Hingabe. Sie ist Marguerite mit Leib und Seele, Haut und Haar.

Ihren Umgang mit aufdringlichen Verehrern könnte man nachsichtig-herzhaft nennen, bis sie dem Grafen N. (Ilia Sarkisov) lautstark eine Ohrfeige auf die Wange pfeffert. Eine Frau der heftigen Gefühle, die weiß, was sie (nicht) will. Zu sehr nagt die lebenswandelbedingte Schwindsucht bereits an ihrer Gesundheit – Todesahnung, die Cojocaru fast panisch in der von Daria Sukhorukova als Theaterfigur getanzten Manon widergespiegelt findet. Als ihr dann Armand Duval (Marlon Dino, dem Cojocaru kaum bis zur Schulter reicht) linkisch-schüchtern vor die Füße stolpert, lässt sie die aufkeimende Liebe und Hoffnung nach Glück zu.kameliend cojocaru

Jede Geste, jeder Blick der Cojocaru sitzt. Womit nicht das Agieren einer brillanten Technikerin gemeint ist, sondern ihr urmenschlicher Spielinstinkt. Sie akzentuiert bewusst stark, ohne zu übertreiben. Wenn nötig reißt sie im Pas de deux auch die Führung an sich. Nur im dritten, von Lacarra/Dino sonst oft hypertragisch zelebrierten großen Duett, hakte der choreografierte Fluss der Wiederbegegnung etwas. Außerdem enttäuschte Armands zu unsauber-schwaches Verzweiflungs-Solo am Ende des zweiten Akts.

Großartig: die getanzte Auseinandersetzung von Monsieur Duval (Ballettdirektor Ivan Liška wieder einmal auf der Bühne!) mit der gesellschaftlich unpassenden Geliebten seines Sohnes. Argumente, hervorgebracht in angerissenen Bewegungen und abruptem Innehalten. Da war plötzlich hörbar Stille im Saal. Niemand hustete mehr oder nestelte an einem Bonbon. Zwei große Künstler, Aug in Aug. Beide geprägt von einem Meister: John Neumeier. Durch ihn hat Alina Cojocaru gelernt, eine Vorstellung wie diese so souverän mit einzigartiger Strahlkraft zu tragen.

Bayerisches Staatsballett: „Die Kameliendame“ am 6. April 2016 in der Münchner Staatsoper. Weitere Vorstellungen am 27. Mai und 3. Juni.

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