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Hawking1Was wäre wenn, fragte sich das Team um Autor und Regisseur Josi Wanunu, die Rolle des Stephen Hawking in dem Film „The Theory of Everything“ mit einem behinderten Schauspieler besetzt würde. Casting-Agentin Nina Gold (Anna Mendelssohn) sieht darin nicht nur eine Frage der political correctness, sondern auch einen ökonomischen Profit. Zur Audition im Kosmos-Theater wurden daher zwei behinderte (Conny Scheuer und Elisabeth Löffler) und ein männlicher Schauspieler (Dominik Grünbühel) eingeladen.

„The Audition for the Role of Stephen Hawking in The Theory of Everything“ ist kluges Theater. Die Frage, warum ein nicht behinderter Schauspieler diese Rolle verkörpert, ist mehr als berechtigt, da Hawking tatsächlich einen Film über seine Arbeit und sein Leben plante, in dem er selbst die Hauptrolle spielen wollte. (Seine Auftritte bei den Simpsons oder in Futurama sind mittlerweile legendär.) Doch, wie Wananu auch in seinen Notizen im Programmheft bemerkt, werden Darstellungen von Behinderten durch nicht beeinträchtige Schauspieler regelmäßig mit großer Medienaufmerksamkeit bedacht und von der Filmindustrie geehrt. Schließlich gewann auch Eddie Redmayne als Stephen Hawking im letzten Jahr unter anderem den Golden Globe und den Academy Award „Oscar“ als bester Schauspieler.

Im Kosmos-Theater täuscht man für jene Szenen, in denen Stephen Hawking noch vollständig mobil ist, Hollywood-Magie mit einer Bewegungsapparatur vor, mit der die behinderten Schauspieler bewegt werden. (Das Raumkonzept inklusiver aller Geräte wie "the hanging walker device" stammen von Andereas Strauss.) So können Elisabeth Taylor aka Elisabeth Löffler und Conny Clarke aka Conny Scheuer gehen, laufen, radeln und reiten. In chronologischer Reihenfolge werden Szenen des Films nachgestellt, die die zunehmende Behinderung des genialen Physikers durch eine motor-neuronale Erkrankung aufzeigt.  So fährt Stephen zu Beginn mit halsbrecherischer Waghalsigkeit Rad, trifft der ungelenke Student seine erste Frau Jane (auf deren Autobiografie der Film beruht), bevor nach einem Sturz seine Krankheit diagnostiziert wird, die ihn zunehmend physisch beeinträchtig. Kann er sich vorerst noch mit Stöcken weiterbewegen, muss er bald auf einen Rollstuhl umsteigen und verliert schließlich auch seine Stimme (die durch einen Sprachcomputer simuliert wird).Hawking2

Die Verbindung zwischen den Szenen sind Dialoge der Agentin Nina Gold mit den Schauspielern, die diese Audition mit cooler Professionalität abhandelt, auch wenn sie die ungewöhnlichen Kandidaten das eine oder andere Mal (beinahe) aus ihrer Contenance bringen. Immer wieder weist sie darauf hin, dass Hawking auch während seiner Krankheit seinen britischen Humor nicht verloren hat, den die Schauspieler vermitteln sollten. Als dritter Anwärter auf die Rolle bildet Dominik Grünbühel als bemühter, etwas gehemmter Performer und Tänzer einen idealen Counterpart zur entwaffnend schlagfertigen Elisabeth Taylor und zur pragmatischen Conny Clarke. Besonders interessant ist der Vergleich der Interpretation der Behinderung. Während Grünbühel in Krisensituation mit einem Aufbäumen des Körpers reagiert, agieren die beiden Frauen mit einem verinnerlichten Ausdruck – denn ihre Muskeln reagieren nicht – und beeindrucken damit das anwesende Publikum, das immer wieder einen Zwischenapplaus spendet.

Durch das großartige Schauspiel aller Beteiligten verändert sich im Laufe der etwa 90 Minuten auch die Einstellung beim Zuschauer, der hier körperliche Beeinträchtigung als Teil der Persönlichkeit hautnah erlebt. Den Schlüsselsatz dazu liefert wohl Ms Taylor in jener Szene, in der Hawking davon träumt wieder gehen zu können. Sie weigert sich die Szene zu spielen. „I am fed up with acting fantasies of walking“, sagt sie. „Do you think that disabled people only dream about being able to walk?“

Entertaining, intelligent, moving, brillant!

„The Audition for the Role of Stephen Hawking in The Theory of Everything“, eine Produktion der LizArt Productions. Urauffühurng am 8. Juni 2016, gesehene Vorstellung 11. Juni. Weitere Aufführungen: 15. bis 18. Juni im KosmosTheater Wien (in englischer Sprache)