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Weinoehl1Sobald der Zuseher einen der noch wenigen freien Plätze auf der Grazer Studiobühne einnimmt, ist er auch bei dieser Veranstaltung von „ABC des Tanzes“ innerhalb der Reihe  „Tanz ganz nah“ schon mittendrin in der spezifischen Welt des Balletts, beim Warm Up an der Stange. Immer wieder vermittelt sich dabei, wie sehr diese Kunst mit disziplinierter und konzentrierter Zielstrebigkeit verbunden ist.

Nicht nur damit freilich, wie beim anschließend von der fast vollständig auftretenden Kompagnie des Opernhauses beim „Blumenwalzer“ zu sehen ist; bei diesem und kurzen weiteren Szenen aus dem 1.Akt  des seit Dezember erfolgreich gezeigten „Nussknacker“.

Die Bühnenpräsenz jedes einzelnen sowie individuelle tänzerische Stärken  zeigen sich bei dieser Reihe durch die fast hautnahe Nähe zu den TänzerInnen in unverblümter Offenheit: Ein anerkennendes Danke für die Bereitschaft dazu sei hiermit den KünstlerInnen gegenüber einmal ausgesprochen. Und dies gilt an diesem Abend auch ganz besonders gegenüber Ballettchef Jörg Weinöhl, der nachvollziehbarerweise feststellte, er sei  durchaus nervös, denn er habe sich vorgenommen, beim behandelten  Thema der choreographischen Werkstattprobe ins Wasser zu springen – und es sei ein kaltes. Führte er doch tatsächlich authentisch vor, wie es ist, wenn vage Bewegungsideen im Kopf eines Choreographen erstmals einer Gruppe ausgewählter Tänzer in Worten – …es führt der Ellbogen, er macht Schauen; ihr sollt fallen, um zu hören… -  und  angedeuteten Bewegungen präsentiert werden; um sie von den Tänzern  ausprobieren zu lassen – …was ist euer Angebot dazu?... -  und dann in deren jeweiligen Eigenwilligkeit Ideen aufzunehmen, weiter zu entwickeln, zu korrigieren oder auch zu verwerfen. Diesen höchst spannenden Vorgang einmal ungeschönt miterleben zu können, die Entstehung einer aus wenigen Bewegungen bestehenden Tanz-Szene in zahlreichen Details, Interpretationen und Veränderungen zu beobachten, war ein außergewöhnliches Erlebnis. Und eine wesentliche Möglichkeit, einen ersten Ansatz zu präziserem Sehen zu erlernen.

Auf jeden Fall wird es  auch überaus spannend sein, diese kleine Szene im April, wenn die Premiere von „Kontrapunkt. Auf der anderen Seite von Bach“ stattfindet, vielleicht ebendort wieder zu entdecken, sie abgewandelt dort wieder zu finden.

Für den einen und anderen mag schon die den Abend abrundende, kleine  Tanz-Präsentation zweier Paare (Clara  Pascual Marti und Simon Van Heddegem, Barbara Flora und João Pedro de Paula) mit etwas anderen Augen gesehen worden sein: Gezeigt wurde „Und ob“, ein Geschenk an Peter Breuer, Landestheater Salzburg, der im November 2016 sein 25 jähriges Jubiläum als Ballettdirektor ebendort sowie seinen 70er mit einer internationalen Ballettgala feierte. Die zwei ineinander lose verschränkten  Pas de deux transportierten sehr feinsinnig und überzeugend in der Darstellungsform die Themen Vertrauen, Zuversicht und Hingabe, fesselten durch unterschiedliche Dynamik.

Tanz ganz nah. ABC des Tanzes am 18. Jänner 2016 in der Studiobühne der Oper Graz