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HenkelFünf BodybuilderInnen posen mit Vasen aus den 70ern. Jakob Lena Knebl und Markus Pire Mata stellen Körper und Keramik in einer Wohnzimmer-Atmosphäre aus. Sie ließen sich von Georg Simmels Essay „Der Henkel“ (1909) inspirieren, in dem der deutsche Philosoph und Soziologe den Henkel als das in ästhetischer wie praktischer Hinsicht Bindende zwischen Wirklichkeit und Kunst beschreibt.

Auf der Suche nach einem Ort, an dem sie ihre keramischen Objekte in der Natur ausstellen können, durchschreiten die bildende und Performance-Künstlerin Jakob Lena Knebl und der Designer und Performance- und Event-Organisator und -Mitwirkende Markus Pires Mata einen laublosen Wald. In dem Video, das zweimal gezeigt die Körper-Objekte-Schau rahmt, drapieren sie schließlich einige der zahlreichen im Studio 3 des Tanzquartier ausgestellten Keramik-Objekte auf Baumstümpfen. Sie berichten, dass sie KuratorInnen sind für die westdeutsche Keramik der 70er. Und Markus Pires Mata spielt unhörbar Flöte im Wald, während elektronischer Sound durch den Saal wabert.

Stark wie Bäume sind auch die fünf BodybuilderInnen, die diese keramischen Objekte im Studio präsentieren, während sie in wechselnden Posen und Konstellationen auf den drei Podien ihre wahrlich Aufsehen erregende Muskulatur anspannen und zur Schau stellen. Wie im Wettkampf. Ihre gegenüber der beim Steirischen Herbst 2019 gezeigten Erstfassung „The Style Council“ (die Fotos sind dort entstanden) weniger stark bemalten Körper, Unterarme und Hände sind golden getüncht, die Körper glitzern, wirken trotzdem noch wie Rüstungen.

Die den Ausgangsmaterialien Ton und menschlicher Körper innewohnenden Möglichkeiten entdecken und nutzen beide, der Töpfer und der Bodybuilder, auf ihre Weise zur Formgebung. Die Vasen und Stehlampen repräsentieren das sogenannte Space-Age-Design, das seinen Höhepunkt in den späten 60er und frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte, also während des Wettrennens zum Mond, des Ringens um die Vorherrschaft im All und zu Hoch-Zeiten des kalten Krieges mit einhergehendem Rüstungs-Wettlauf. Ihre Muskeln spielen lassen hier auch die fünf hochkarätigen BodybuilderInnen Jekaterina Übelacker (Miss Universe 2018), Lara Tasharofi (WBPF Champion 2018), Katharina Stürz, Kevin Stütz und Stefan Wottowa. Ihre Körper und ihre Performance sind beeindruckend! Die Resultate des formenden Wirkens sind auf drei Podien zu bestaunen.

„Wir sind Henkel“ arbeitet mit den Wechselwirkungen von zweierlei Kunstobjekten, die beide ein natürliches, jedoch jeweils anderes Ausgangsmaterial benutzen, um diese ihre Basis zu transzendieren. Diese Kunstwerke werden abgetrennt von der Wirklichkeit, der sie einst entsprangen. Das Artifizielle in den Ergebnissen der schöpferischen Akte, die Architektur der Vasen und der Körper, das ästhetische Konstrukt entwickeln Eigenleben. Der Mensch erscheint als physischer und geistiger Mittler zwischen der Natur und der daraus erschaffenen künstlichen oder Kunst-Welt.

Orange ist eine häufig wiederkehrende Farbe, im Lichtdesign wie in den Keramiken. „Agent Orange“ hieß das Gift, das die Amerikaner im Vietnam-Krieg einsetzten, um die Wälder zu entlauben und so ihren Feind zu (im wahrsten Wortsinne) ent-decken. Und wenn das Licht ins Blau fließt, scheint der Himmel durch die kahlen Bäume. Wie im Video.

Die politische Dimension dieser Arbeit wird vielleicht erst auf den zweiten Blick sichtbar. Die zunehmenden Spannungen in der Welt, die steigenden Rüstungs-Etats nicht nur der Großmächte und deren in Stellvertreter-Kriegen praktizierten Muskelspiele werden als drohende Wiederholung von Geschichte auf diese Bühne gestellt. So gerät „Wir sind Henkel“ zu einer vielschichtigen Parabel. Auch auf das Wettrüsten. Und wir schauen zu. Nicht nur im Fernsehen.

„Wir sind Henkel“ von Jakob Lena Knebl und Markus Pires Mata, am 15. Februar 2020 im Tanzquartier Wien.

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