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Schnaufen 150Sie haben das Beste aus den gegebenen Möglichkeiten gemacht: Das Mezzanin Theater und die TanzCompanyELLA. Schon damals, als die tanzaffine Schauspielerin und Regisseurin Hanni Westphal und die jungen Tänzerinnen beschlossen, eine Zusammenarbeit zu wagen. Und dann, als sie im Frühjahr 2020 das zeitimmanente Thema der Einsamkeit von Menschen in den Mittelpunkt ihres Projektes stellten.

Sie entschieden sich weiterhin noch für das Beste, als sie sich auf eine digitale Video-Version ihres ursprünglich für die Bühne konzipierten Stückes einließen. Und schließlich, als sie gerade auch wegen des Wegfalls des Bühnen-Live-Erlebnisses nach einer Möglichkeit unmittelbarer Interaktion mit dem Publikum suchten. Sie fanden sie in den inzwischen allseits bekannten technischen Angeboten in Form von Videochats und nutzten ein solches, um im Anschluss an die Vorstellung ein kurzes Tanzworkshop zu offerieren: für ihr Publikum und damit gemeinsam mit all den bewegungsbegeisterten Zusehern, Ein kollektives Schnaufen stellt also den entspannenden Endpunkt des Programmes dar. Schnaufen 42

Dass dieses „Tanztheater für alle ab 5“ von der Regisseurin kurz einbegleitet wird, bewirkt zusätzlich schon von Beginn an durch das konkrete Ansprechen der Situation eine gewisse Realitätsnähe; und es bewirkt ein Nähertreten, ja fast ein tatsächliches Eintreten in die drei Wohnungen, in denen, wiewohl Tür an Tür, drei Frauen ziemlich einsam und völlig allein leben. Jede von ihnen hat im Laufe der Zeit die Fähigkeit der Kontaktaufnahme und erst recht der Kommunikation verlernt, und so bewegen sie sich mehr oder weniger zufrieden und innerhalb ritualisierter Abläufe in ihren vier Wänden. Jeder der drei Tänzerinnen - Sonja Felber, Barbara Krepcik, Cathrin-Marie Fuchs, die auch für die Choreografie zuständig sind - gelingt es, eine individuelle Persönlichkeit auf die Bühne zu stellen und nachvollziehbare Formen annehmen zu lassen. Mit eher einfachen, aber sehr gut charakterisierenden, exakt geführten Bewegungen sowie durchdachten und stimmigen Bewegungssequenzen. Dies bewirkt, dass tatsächlich jeder ab fünf sich zu diesen Bewegungsbildern seine ganz persönlichen „Übersetzungen“ und Gedanken machen kann und will. Bis man nach diesen kurzweiligen, mehr oder weniger schmunzelnd-nachdenklichen „Tiefenschürfungen“ ins Märchenhafte entführt wird: Mit überzeugender Leichtigkeit, mit bezaubernder Logik. Das langsame Zueinanderfinden gelingt den drei Performerinnen unter der Führung von Hanni Westphal, unterstützt von Lilli Angermeier und Lisa Aigelsperger, in einem nahezu poetischen Fluss. Und damit ist das gute (Märchen) Ende weit weg von jeder Schönmalerei oder rosaroter Farbgebung.

Schnaufen 46Auf der leeren Bühne deuten lediglich Linien die wohnlichen Gegebenheiten an; sehr wesentlich unterstützt freilich von einer gleichermaßen diskreten wie klaren, wenn auch manchmal vielleicht ein wenig unbegründet dunklen Lichtführung (Nina Ortner). Jeweils ein einfaches Möbelstück und ein Requisit genügen als Kennzeichnung der jeweiligen Person. Bei der Ausgestaltung der drei Lebensräume ist es wieder einmal die feine Musikgestaltung Patrik Dunsts, der den unterschiedlichen kommunikativen Ebenen eine weitere musische in all ihrer anregenden und bereichernde Eigenheit hinzufügt.

Der Stücktitel ist weniger anziehend oder assoziativ anregend als vor allem offen; und er bleibt es auch weitgehend, wenn man dazu nicht gerade eine erklärende Hilfestellung von Hanni Westphal erhält; aber die Bedeutung ist auch nicht wirklich wichtig. Im Gegensatz zu all dem, was sich hier so lückenlos in fantasieanregender Vielschichtigkeit harmonisch zusammenfügt: erheiternd, wohltuend künstlerisch aufbereitet, denkanregend.

Mezzanin Theater / TanzCompany Ella: „Schnaufen“: Online – Premiere am 28.04.2021. Vorläufig letzter Online -Termin:30.04.2021 | 17 Uhr. Tickets unter www.mezzanintheater.at