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lMallorcaJa, in dieser dritten Premierenwoche der Freien Theater in Graz, die in Kooperation mit Das andere Theater heuer vom 14. bis 18. September stattfand, gab es tatsächlich viel Neues (also wiederum ganz anderes von wohlbekannten Formationen) und auch Neue (also hier noch kaum bekannte KünstlerInnen) zu sehen und zu erleben. 

Aus 26 eingereichten Projekten waren sechs ausgewählt worden: von den beiden Jurorinnen Angela Glechner, Salzburg und Julia Schreiner, Berlin gemeinsam mit Festivalleiter Peter Fasshuber, Oberzeiring; auf dass diese Konzepte nun, in Kooproduktion mit theaterland steiermark, im Rahmen des Festivals zur Uraufführung gebracht würden. 

Die erfrischende Vielfalt der Formate ließ erkennen, dass die Suche nach zeitgemäßer Ausdrucksform nicht an Triebkraft verloren hat, dass der Mut zu Innovativem selbst nach coronabedingter, unfreiwilliger Pause nicht nachgelassen hat. Ein roter, jeweils individuell gelegter Faden der Inhalte, der rund um ein gedeihliches Miteinander - für das freilich jeder und jede vorerst bei sich selbst ansetzen muss - geschlungen war, ließ perspektivenreich erkennen, was als sehr ernsthafte Notwendigkeit derzeit im Fokus steht und damit künstlerisch aufzubereiten und in Frage zu stellen ist.

„Cables“Cables

Einen unterhaltsam-kreativen wie bewusstseinserweiternden Einstieg in das weite thematische Feld bot die Eröffnungsproduktion des Franz von Strolchen (Konzept, Regie, Video), „Cables“: Kreativ in der Form, da sie heruntergebrochen ist auf das richtige Verbinden von bei einem Live-Konzert eingesetzten Kabeln durch den Ton- und Licht-Techniker respektive in diesem Fall durch die reale, hierorts recht bekannte Veranstaltungstechnikerin Nina Ortner, die in ihrer „Alltags-Rolle“ und gleichzeitig als fiktive Figur auf der Bühne stand, real-fiktiv agierte und erklärte, was diese Kabel-Welt in welcher Art zusammenhält – mit besonderer Berücksichtigung von korrupten Kabeln, vulgo Verbindungen hier und anderswo in der Welt. Angefangen hatte die Aufführung ja noch recht ordentlich-normal als eventartiges, durchaus mitreißendes, feinfühlig bildumflutetes Konzert des Performers und Indie-Musikers Ivica Dimitrijevic, dessen vorgetragene, themaimmanente Liedtexte des Nachlesens auf dem Programmzettel wert sind. Aber bald hielt außerdem wunderbar metaphorisch einschleichend die Welt kritisch-eleganter wie beinhart witziger Analyse Eingang; angesiedelt zwischen Persönlichem wie Öffentlichkeitsrelevantem (Text: Christian Winkler). Wäre im Hals Steckenbleibendes nur immer so fein zubereitet. 

Stomach„Stomach“

Um Sinnesfreuden und Formen des Miteinander, um Verbindungen geht es zwar auch bei „Stomach – Or how can we be with each other“ von und mit Navaridas & Deutinger. Aber die Suche nach „zukunftstauglichen Ritualen des Zusammenseins“ erweist sich, wiewohl als „something secret, something new“ bald verheißungsvoll angekündigt, als nicht allzu fündig. Zwar ist das Gebrabbel und Gekauderwelschte der 3 Performer (Beatrice Frey, Alex Franz Zehetbauer, Alex Deutinger) immer wieder recht fantasievoll und amüsant, wobei die bildintensive Umgebungsbeschreibung von Frey zu den nicht nur vortragsmäßigen Glanzpunkten zählt; aber letztlich bleibt, bei aller eigenwilligen Neuartigkeit des Konzepts (Marta Navaridas) das Vermittelte wenig vielschichtig; der Eindruck von zu viel an Elaboriertheit verhindert weitgehend Nachwirkung oder Betroffenheit. 

„Malloraca a Estíria“lMallorca2

Authentizität ist (nicht nur auf der Bühne) eine gute Voraussetzung für Gelingen von Kommunikation, für Aufbau von (ehrlicher) Verbindung: Und diese Eigenschaft bringt Ursula Graber mit, sobald sie auf der Bühne steht;  und daher nimmt sie , selbst bei theoretischen Hintergrundinformationen zu den untertitelten Text-Übersetzungen in Deutsch, Katalanisch, Spanisch, Steirisch und Mallorquinisch, sofort ihr Publikum mit: Sie nimmt es ohne Durchhänger mit, auch wenn der knapp einstündigen Tanzperformance „Malloraca a Estíria“ bei allem Charme eine kritische Unterstützung durch ein „Outside Eye“ da und dort guttäte. Sie überzeugt, weil ihre Auseinandersetzung mit dem Kommunikationsmittel verbale(r) Sprache(n) dynamisch-abwechslungsreich auf unterschiedlichen Ebenen niederschwellig bewusst und unterhaltsam augenscheinlich macht, was fast jede und jeder kennt: die Hürden und trennenden Gräben im Bedürfnis nach funktionierendem intellektuellem und/oder emotionalem Austausch. 

Parallel zum Verbalen laufen in dieser Performance-Lecture aber auch andere Formen der Kommunikationsversuche; solche mit und zu ihrer katalanischen Schwiegermutter, Schauspielerin Eulàlia Purtí. Und diese gestisch- mimischen, gemeinsam mit Grabers tänzerischen – besonders homogen gelungen in der Telefonszene – machen die mutig-leichtfüßig performative Tanzperformance „Schwgrmttrtchtrsprchn“, wie der Untertitel lautet, zu einem gelungenen Ganzen.  

AllesWiH„Alles, was ich habe“

Die theatrale Audio-Installation „Alles, was ich habe“, die das Performance-Kollektiv Bum Bum Pieces unter der Regie von Simon Windisch in einer leeren Wohnung realisiert, ist eine Auseinandersetzung mit Abwesendem. Mit all dem, was wir sehr oft an Zuviel an Dingen haben und was uns dennoch nicht unwesentlich ein Leben lang ausmacht.

Jeweils zu zweit in einer 8er-Gruppe wird man von einer Stimme (Nora Winkler) aus dem erhaltenen und dann mitgetragenen Häferl (mit eingebautem Lautsprecher) zu kleinen Handlungen aufgefordert: zum Gehen an einen Ort, Hinsetzen, Öffnen, Suchen eines Gegenstandes etc. Vor allem aber sinniert die Stimme über den Wert und Unwert all der Dinge, über die Spuren, die sie (an uns) hinterlassen und inwiefern wir sie manipulieren; ungewöhnlich fühlbar gemacht etwa auch durch „sprechende Wände“. 

Eine technisch sehr aufwendige und daher vorerst vor allem dadurch faszinierende sowie verunsichernde, weil geheimnisvolle Form der Installation. Information um Information, Anordnung um Anordnung wird das Eintauchen in die gebotene Erinnerungs- Vergleichs- und Gedankenwelt aber immer tiefer, nachdenklicher, berührender – persönlicher; Die präsentierte Auseinandersetzung wird eine mit dem eigenen Ich 

„Betongold“Betongold

„Betongold – ein städtischer Schwank“ der Rabtaldirndln unter der Regie von Ed. Hauswirth ist eine fetzig-kritische, unterhaltsam tiefsinnige Collage aus all den Facts, die den Erfolg von einigen wenigen – nicht selten verbunden in unschuldiger Männerfreundschaft – ausmacht. Da wird Mäntelchen um Mäntelchen des (vielleicht doch nicht immer) heimeligen Gesellschafts- und Politik-Alltags gelüftet und mit tradierten Weisheiten – „weiter wie bisher, geht ja eh“ – oder Visionen a la Stadtchef: „Graz – Stadt der Baustopps“, „Klimainventionsstadt“ an den Pranger gestellt. Diese „städtische“ Version von Betongold (die „Landversion“ hatte im Juni dieses Jahres Premiere) gelang der beliebten Crew noch stimmiger und griffiger als die erste, da sie sich weniger einem nicht immer ganz plausiblen Plot unterordnete. Entsprechend mundeten die einzelnen unabhängigeren Szenen respektive die Gänge, die da etwa als Hauptspeise als Spinat im Speckgürtel oder als Nachspeise in Form von Abrissbirnen höchst bissig über die Rampe gingen. 

PanchaTantra2„Pancha Tantra“

Abrundend zeigten in einem weitläufigen, leergeräumtem Zirkuszelt Jula Zangger und Lena Westphal (Konzept, Performance) als Julalena in ihrer nunmehr schon (fast) langbewährten Manier, dass sie doch jedes Mal wieder ganz anderes ganz anders aus der Tasche zu ziehen und zaubern vermögen: „Pancha Tantra“, die fünfteilige altindische Sammlung  moralischer Geschichten und Fabeln haben sie sich nun vorgeknöpft: Szenisch klar strukturiert, von großflächigen Wiedergaben der wunderbaren, rundum an die Planen gehängten Bilder Walton Fords und kunstvollen Tiermasken unterstützt, nehmen sie in unterschiedlicher  Aufbereitung darstellender und auch installativer Art all das auf eine zeitgemäße Schaufel, was diese klugen Lebensanleitungen immer noch nicht in den Köpfen der Menschen bewirkt haben. Mit viel Anerkennung für der Künstlerinnen frisch-frech-ironische Wiedergabe-Kompetennz des zitierten großen Textvolumens, täte die eine und andere weitere Kürzung noch gut. So kreativ (und aufwendig) ihre Raumausnützung auch ist: bei dieser Dimension stoßen 2 allein agierende Darstellerinnen auch ihrer Qualität doch ein wenig an ihre Grenzen, den Kontakt zum Publikum kontinuierlich zu halten. Nichtsdestotrotz: Diese Performance zählte zu den Höhepunkten der ausnahmslos sehenswerten Produktionen des Festivals, das einprägsam gezeigt hat, wie lebendig, beachtens- und damit besuchenswert das zeitgenössische Freie Theater in Graz auftritt. 

NEWSoffSTYRIA2021: „Cables“, Theater am Lend, am 14. September; „Stomach“, Kristallwerk am 14. September; „Mallorca a Estiria“, Theater im Keller am 15. September; „Alles, was ich habe“, Dreihackengasse 44 am 16. September; „Betongold“, Volkshaus am 17. September; „Pancha Tantra“, Zirkuszelt, am 18. September

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