Hauptkategorie: Mandl-Blog

Mandl6Als der liebe Gott die Tänzerinnen erfunden hatte, wollte er sie ein bisschen näher oben, bei sich, haben, der Schelm. So erschuf er die Hebefigur. Doch: wer sollte sie ausführen? So erfand er, ungern, aber doch, den Tänzer.

Erst jüngst sah ich in Wiens höchster Ballettinstanz ein Walzerstück, worin die fein herausgeputzten Dämchen vieles durften. Die Herrchen bildeten lediglich das Dreh-Moment, und gelegentlich durften sie ihre Damen hochheben. Ein bissel hat mich die Choreo an Kleintierzüchter erinnert, die bei Bewerben ihre Lieblinge zum Herzeigen präsentieren. (Zum Stück dachte ich noch: das kommt dabei heraus, wenn man russo-amerikanischen Choreo-Grafen den Göttlichkeitsstatus zu Lebzeiten aufdrängt).

Bei Rosalia Chladek ist das gott(!)lob anders. Da heben und senken sich die Damen ganz ohne Herrenhilfe. Allerdings gab es in Biographie und Werkeverzeichnis von R.C. auch nicht wirklich starken Männeranteil. Außer – und das ist heutzutage ja gaaaanz anders – in Führungsfunktionen. Émile Jaques-Dalcroze, etwa, dem der Kunsttempel Dresden-Hellerau gebaut wurde, oder die Komponisten, die mit und für Chladek arbeiteten. Und spät in ihrer Karriere auch noch in Workshops mit Butoh-Gott Kazuo Ohno und Modern-Gott Ismael Ivo.

Mann, nicht nur der alte, ist – außer bei Feuerwehr- und sonstigen unzweifelhaften Ballvergnügen – meist Einzelgänger. Gibt Mann seiner Umgebung die Leidenschaft „Tanzen“ preis, wird er als ziemlich schräger Vogel angesehen. 

Sicher liegt das auch an unserer doch noch nicht sooo modernen Erziehung. Im Ballett mit drei, vier Jahren als Bübchen noch dabei, ist es mit sechs plötzlich verschwunden. Als ich mich antrug, mit einem meiner acht Enkelkinderchen – Bub, dreieinhalb – zum Ballett zu gehen, schwupp, stand dem schon eine Anmeldung zum Judokurs entgegen.

Am meisten Verständnis und Zuspruch erfährt der tanzende Mann bei seinen Kolleginnen und Dozentinnen. Was nur einen Schluss zulässt: Tanzen macht vorurteilsfrei.

Christoph Mandl hat sich im reifen Alter entschlossen, eine Tanzausbildung im System Rosalia Chladek zu machen, über die er in der  tanz.at-Serie „I, move“ schreibt.

Demnächst: Dadamda

Zuvor: I Move (5): Frag nie dein Knie