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Seine grandiose Leistung in der Premiere vom Ballet „Die Fledermaus“ brachte ihm mit 1. Februar 2009 das Avancement zum Solisten: Eno Peci brillierte als Ulrich durch seine darstellerische Rolleninterpretation ebenso wie durch seine technische Darbietung. Seine Vorliebe für Herausforderungen ließ ihn sich mit viel Verve dieser Partie annähern: „Die Person des Ulrich ist sehr vielschichtig - er empfindet die unterschiedlichsten Gefühle, die er aber mit seiner lustigen Art überspielen möchte. So ist er verliebt, eifersüchtig aber auch hilfsbereit und vieles mehr“, erklärt er sein Rollenverständnis. Auf diesem schmalen Grat zwischen feiner Ironie und amüsanter Komik bewegt sich Eno Peci elegant und sicher, ohne je ins Übertreiben abzugleiten.

Reifeprozess
Als Tänzer ist ihm die Ausdrucksfähigkeit ebenso wichtig wie die Technik. Egal ob ein abstraktes Werk getanzt wird oder es gilt eine Rolle in einem Handlungsballett zu gestalten, Eno Peci will über die Grenzen des eigenen Körpers gehen. „Man kann nicht nichts geben. Wie ein Gummiband in jede Richtung beweglich ist, so will ich als Tänzer alles machen können“, erläutert er seine Einstellung. Nach Abschluss seiner Ballettausbildung im Jahr 2000 wurde er vom damaligen Ballettchef Renato Zanella sofort engagiert. Dieser betraute ihn bald mit zahlreichen Rollen, v.a. in den eigenen Kreationen. Seine erste Partie tanzte Peci in „Perpetuum mobile“ aus „Alles Walzer“. Den David in „Spartacus“ und die Titelrolle in “Petruschka“ kreierte Zanella für ihn. Besondere Bedeutung hatte für den jungen Tänzer die Übernahme des Sklavenanführers Spartacus im gleichnamigen Ballett. „Damals war ich 21 Jahre alt, es fehlte mir an Reife - jetzt wäre es für mich perfekt, könnte ich es noch besser interpretieren als damals, weil ich nun die Erfahrung mitbringe, die automatisch mit zunehmendem Alter kommt“. Zanella ist er heute noch sehr dankbar dafür, dass er ihn in so vielen verschiedenen Stücken eingesetzt hat. Auch das Avancement zum Halbsolisten im Jahr 2003 erwuchs aus der bisherigen überragenden Gesamtleistung heraus - als Folge dessen durfte er einen Part in „Petite mort“ übernehmen, für den er ursprünglich nur als Reserve nominiert war. Riesig gefreut hat er sich auch über die jetzt erfolgte und für ihn völlig unerwartete Ernennung zum Solotänzer. Sein Körper ist sein Ausdrucksmittel, facettenreiche Darstellungen reizen ihn daher besonders. Abwechslung ist ihm wichtig für seinen Körper - je mehr an verschiedenen Rollen er tanzt, umso lieber ist es ihm. Als besonders bedeutende Partie sieht er den Karenin an: im Ausdruck von gefühlsharter Strenge, im Tanz sehr akrobatisch. Die Auseinandersetzung mit einer Figur der russischen Literatur war eine spannende Aufgabe. Die finsteren wie mysteriösen Rollen - hier meint er u.a. den Tybalt oder Drosselmayer - findet er viel einfacher zu tanzen; als herausfordernder sieht er die lustigen an. Hier liege die Schwierigkeit darin, die richtige Dosis an Mimik und Gestik zu treffen ohne zu outrieren, wie z.B. beim Ulrich. Ein spannender Gegensatz war für ihn auch, dass er sowohl den gelangweilt-egozentrischen Onegin wie den schwärmerisch-verliebten Lenski verkörpern durfte.

Choreografischer Beginn
Seine Aufgeschlossenheit für kreative Weiterentwicklung bringt es mit sich, dass er heuer seine erste Choreografie im Rahmen von choreo.lab (Aufführungen am 16. und 18. Mai im Stadttheater Bühne Baden) vorstellen wird. Die Idee zu seinem Erstling „Cut“ kam ihm schon vor einiger Zeit, aber erst jetzt findet die Umsetzung statt, weil ihm wichtig war, genügend Vorbereitung dafür zu haben. „Ähnlich wie ihm Leben nicht eine gerade Straße ans Ziel führt, sondern es Umwege und Seitenstraßen gibt, will ich das in verschiedenen Szenen auf die Bühne bringen. Der Titel kommt daher, dass wie bei einem Filmschnitt damit jedes Mal der Wechsel zur nächsten Sequenz überleitet. Es gibt keine eigentliche Handlung, aber Verbindungen zwischen den einzelnen Szenen. Jeder Zuschauer kann sich selbst etwas dazu denken. Wichtig war mir in meiner Bewegungssprache an die körperlichen Grenzen zu gehen, um plastisch zu sein.“ Als Choreograf ist er für das Gesamtkonzept zuständig, ist also sein eigener Kostümbildner und Lichtdesigner. Einen Teil der Musik hat er selbst am Computer entworfen; er kombiniert dazu u.a. Kompositionen von Bach. In diesem Stück für drei Männer und eine Frau wirken Kollegen aus der Compagnie mit - so Kiyoka Hashimoto sowie Mihail Sosnovschi, Masayu Kimoto und Peci selbst mit.

Erfahrungssammlung
Als Tänzer ist es ihm stets ein Anliegen, sich weiter zu entwickeln, durch neue und möglichst vielgestaltige Erfahrungen sich zu entfalten, um auch als Persönlichkeit zu reifen. „Als Mensch ist man wie ein Magnet, man zieht alles an, aus allem kann man etwas für sich lernen, und zwar aus positiven wie aus negativen Erlebnissen“. Viele Tanzstilrichtungen am eigenen Körper zu erfahren gehört genauso dazu wie selbst aktiv zu sein. Er sammelt Trommeln, beim Spielen derselben entspannt er sich am besten und findet dabei innere Ruhe. Er will unbedingt so viel wie möglich tanzen, ohne dabei an eine spezielle Wunschrolle zu denken. Hauptsache vielschichtig und vielgestaltig, diese Vielseitigkeit ist für ihn als Künstler unabdingbar. Für die Zukunft - die Zeit danach, nach der Tänzerkarriere - möchte er gern als Choreograf arbeiten. Auch dafür ist er vorausschauend, will jetzt Erfahrungen sammeln, um dann dazu gerüstet zu sein.- „Alles interessiert mich, ich bin immer offen und aufgeschlossen. Wenn man sich etwas Ungewohntes zutraut, dann gelingt es auch. Ich bin so - ich brauche die stete Herausforderung!“ fasst er seine Lebenseinstellung zusammen.

Ausbildungsbeginn
Aufgewachsen in der albanischen Hauptstadt Tirana kam er mit 13 Jahren erst relativ spät zum Ballett. Zuvor hatte er Fußball gespielt und sich sogar fast ein Jahr lang als Akrobat im Zirkus betätigt. Beides schien ihn aber nicht genug weiter zu bringen, sein Bewegungstalent verlangte nach größeren Herausforderungen und mehr Abwechslung. Seine Eltern unterstützten ihn in all seinen Bestrebungen, erhofften sie sich doch durch eine fundierte spezialisierte Ausbildung eine möglichst sichere Zukunftsperspektive für ihren Sohn. Eigentlich wollte er Break Dance lernen, aber das besuchte Training war in erster Linie klassisch; in der Ballettschule lernte er dann auch Klavier spielen und andere Nebenfächer. Obwohl ihm die kurzen Shorts als Ballettdress peinlich waren, hielt er durch, weil er dachte, nur dies würde ihn seinem Ziel näher bringen. Nach zwei Jahren hatte er sich dran gewöhnt und fand immer mehr Gefallen am Ballettunterricht. Immer schon sehr zielstrebig, merkte er jedoch bald, dass ihm eine Ausbildung in seiner Heimat nicht genügen würde. Er spürte, dass er, um als Tänzer erfolgreich zu sein, ins Ausland gehen müsse, um sich dort zu vervollkommnen, und es war schon immer sein Traum gewesen, nach Wien zu gehen, in die Weltstadt der Musik. Die berühmten Wiener Philharmoniker, die Werke von Mozart und die Walzer von Johann Strauß hatten es ihm angetan - in dieser Kulturmetropole wollte er sich beweisen, hier wollte er künstlerisch tätig sein: „Wenn ich es hier nicht schaffe, würde ich das akzeptieren, aber probieren wollte ich es unbedingt“.

Weichenstellung
Auf einer Gastspielreise mit seiner Folklore-Tanzgruppe in Italien spitzten sich die Ereignisse wegen der politischen Krise daheim zu: sollte er wieder zurück nach Hause reisen oder mit seinem gültigen Visum gleich versuchen, in Wien die Ballett-Aufnahmsprüfung zu machen? Hektische Telefonate mit seinen Eltern machten ihm die Entscheidung nicht leichter. Seine Mutter wollte ihn natürlich so nicht ins Ausland gehen lassen, aber die Vernunft siegte, das Land steckte im Krieg. Da seine ältere Schwester bereits in Österreich beruflich Fuß gefasst hatte - sie arbeitet jetzt als Ärztin in der Steiermark - ließen es seine Eltern schweren Herzens zu, dass auch der 16jährige Sohn ohne sich noch einmal von ihnen zu verabschieden von Italien aus nach Österreich fuhr. Ende August traf er in Wien ein und meldete sich sofort in der Staatsopernballettschule. Bei seinem Termin war er so irritiert von der steinernen Miene der Kommissionsmitglieder, dass er sofort nach Ende der Aufnahmsprüfung davon stürzte, ohne das Ergebnis abzuwarten. Seine wartende Schwester wollte wissen, wie es gelaufen war, er konnte ihr nichts sagen - er hatte sein Bestes gegeben, aber gedacht, dass er versagt hatte. Mit Mühe überredete ihn seine Schwester, doch zurückzugehen und nach dem Resultat zu fragen. In der Zwischenzeit war man bereits auf der Suche nach ihm - man hatte sein großes Talent erkannt und wollte ihn zum Tänzer ausbilden. - Sein Traum war Wirklichkeit geworden, er studierte in Wien Ballett! Seine Eltern waren einerseits überglücklich darüber, dass ihr Junior nun in Wien studieren sollte, aber andererseits war diese dauerhafte Trennung auch sehr schmerzvoll. Mittlerweile gibt es so oft wie möglich gegenseitige Besuche. Mutter und Sohn stehen sich immer noch sehr nahe, es wird täglich telefoniert. Er ist den Eltern heute noch unendlich dankbar dafür, welche Opfer sie auf sich nahmen, um die teure Ausbildung für ihn zu finanzieren: Sie verkauften ihr Haus in Tirana und bezahlten damit das der Schule angeschlossene Pensionat in der Boerhavegasse. Diese Zeit hat ihn menschlich sehr geprägt - für ihn ist seine Familie das Wichtigste, was er im Leben hat. Mit seinen tänzerischen Erfolgen will er ihnen alles zurückgeben, was sie damals für ihn getan haben. Schließlich war es die richtige Entscheidung gewesen, nach Österreich zu gehen und seine Eltern sind sehr stolz auf ihn. Auch sein ursprüngliches Heimatland hat ihn für seine künstlerischen Leistungen ausgezeichnet - er ist Ehrenbotschafter von Albanien.

Freundestrio
Im Pensionat lernte er Mihails Sosnovschi kennen, mit dem er ein Zimmer teilte. Gemeinsam mit Kirill Kourlaev sind die drei bis heute einander in tiefer Freundschaft verbunden - über jede tänzerische Konkurrenzsituation in der Compagnie hinaus. Sie haben bisher alles miteinander erlebt und getanzt: bekommt der eine die Chance einer neuen Rolle, dann bald darauf auch die zwei anderen. So wurde z.B. gleichzeitig mit Eno Peci auch Kirill Kourlaev zum Solotänzer ernannt.

Lebensglück und Vaterrolle
Im Staatsopernballett hat er nicht nur seine Berufung als Tänzer gefunden, sondern auch seine große Liebe in Halbsolistin Dagmar Kronberger. Jetzt ist für beide der richtige Zeitpunkt zur Gründung einer eigenen Familie. Anfang Mai kommt das Baby - es wird ein Mädchen. Der Als werdender Papa nimmt er schon jetzt seine künftige neue Rolle sehr ernst: „Ich bin sehr fürsorglich, daher werde ich mich selbstverständlich auch um das Kind kümmern, werde Windeln wechseln und alles tun, was sonst nötig ist.“ Das Handy ist daher stets eingeschaltet - natürlich will er unbedingt bei der Geburt dabei sein und die Nabelschnur durchschneiden.

Persönlichkeitsbildung
Die Ausbildungszeit in Wien war so ganz anders als er das gewohnt gewesen war. Sowohl Ballettschuldirektor Michael Birkmeyer als auch sein Lehrer Viktor Onoschko haben viel Potenzial in ihm gesehen. In den zwei Jahren des Ballett-Studiums hat Eno Peci sehr viel gelernt, galt es doch auch einiges aufzuholen durch seinen späten Einstieg ins Ballett. Trotz großer Disziplin im Unterricht gab es hier eine andere Form von Wertschätzung, konnte er sich immer selbst treu bleiben. Früher war er gewohnt gewesen, dass man ihm stets sagte, was zu tun sei, ohne dass es eine andere Wahl gegeben hätte; hier begeisterte ihn, dass er in Eigenverantwortung agierend, für sich selbst Entscheidungen treffen konnte. Diese Freiheit hat ihn bis heute geprägt, hält er das doch auch für eine wesentliche Basis für ein kreatives Leben und Denken. Mit dieser Einstellung fand er viel Inspiration für seine weitere Karriere, weil er sich aus dieser Offenheit heraus alles zutraut und alles probieren möchte.