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lerchenbergEva-Maria Lerchenberg-Thöny hat als Leiterin des Innsbrucker Tanztheaters erstmals eine nicht-klassische Linie an einem Landestheater vorgegeben. In den letzten drei Jahren war sie sehr erfolgreiche Leiterin der Tanzcompagnie am Staatstheater Braunschweig, das sie mit Ende dieser Spielzeit verlässt.

Sie waren in den letzten drei Spielzeiten Leiterin des Tanztheaters am Staatstheater Braunschweig. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Ich hatte hier ein Publikum gefunden, das sich nach anfänglich kurzem Zögern impulsiv, höchst emotional und dennoch auch in die Tiefe gehend auf meine Tanzsprache einließ. Neben den Wiederaufnahmen von „And I love you so“, „Bluthochzeit“, „Yerma“ oder meiner vielfach preisgekrönten „Geschlossenen Gesellschaft“ nach Sartre waren es doch vier Tanztheaterproduktionen, die hier uraufgeführt wurden.  Und darunter neben „Carmen“, oder „Don Quijote“, die sicher für ein Publikum allein vom Inhaltlichen her leichter anzunehmen sind,  auch schwere Stoffe, wie „Jagdszenen“, oder zuletzt „Macbeth“.  Das Publikum hatte sich aber von mir auch auf diese Reise mitnehmen lassen – und das fand ich schön. Ich empfand auch den Dialog, der sich über meine Stücke mit dem Publikum entspann, sehr, sehr spannend.

Was waren die Höhepunkte, was erlebten Sie als Rückschlag?

Für mich persönlich war meine letzte Produktion „Macbeth“ hier am Staatstheater ein Höhepunkt. Ich hatte mir für dieses Stück auch erstmals alle Nebenschauplätze zur Seite geräumt, um mich mit Haut und Haaren in diese Thematik hineinzustürzen – und ich hatte zu einer für mich künstlerisch sehr befriedigenden Balance zwischen Choreografie und Inhalt gefunden. Interessanter Weise war dieses Stück auch von der Presse ohne jegliche Einschränkung höchst positiv beurteilt worden.

Ihre Stücke sind sehr politisch und gesellschaftskritisch. Wie hat das Braunschweiger Publikum auf Ihre Vorschläge reagiert?

Sehr positiv. Erstaunlich positiv. Selbstverständlich gibt es auch das Publikum, das nach dem reinen Entertainment lechzt, aber es gibt eben auch jene und das sind hier nicht wenige, die die Auseinandersetzung suchen. Und ich denke, es ist auch eine Aufgabe von Kunst und Kultur, sich etwa mit unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Das ist im Grunde auch Auftrag eines subventionierten Theaters.
Schön ist es natürlich, wenn es gelingt, das eine mit dem anderen zu verbinden …

Tanz in einem Mehrspartenhaus hat immer einen speziell schwierigen Status. Hast du das in Braunschweig auch erlebt oder fandest du die Arbeit gegenüber deinen vorangegangenen Erfahrungen (z.B. in Innsbruck) an diesem Haus leichter?

Darum kommt man nicht herum: Der Tanz hat an einem Mehrspartenhaus einen schwierigen Status. Das ist so, da wie dort – man kann aber da wie dort damit umgehen…
Was allerdings den Unterschied zwischen Braunschweig und Innsbruck betrifft, so fällt doch auf, dass in Österreich das Theater einen ganz anderen Stellenwert hat, ganz anders im Mittelpunkt der Gesellschaft steht. Insofern ist auch der Umgang innerhalb des Theaters ein lustvoller, emotionaler, von einer gegenseitigen Achtung geprägt.

Sie haben auch jedes Jahr ein internationales Festival organisiert und zum Teil unbekannte KünstlerInnen und Gruppen aus der ganzen Welt eingeladen. Wie sehen Sie nach dieser Erfahrung den „globalen“ Tanz?

Die Intention meines Festivals war, Compagnien hierher zu holen, die zwar zeitgenössisch auf hohem Niveau tanzten, sich aber ihre Authentizität bewahren konnten. Wichtig war mir auch gewesen, dass es Compagnien waren, die nicht hier in Europa von Festival zu Festival tourten, die also eher nicht einem amerikanischen oder europäischen mainstream entsprachen. Ich fand das ungemein interessant, über diesen Weg auf der ganzen Welt sehr eigene, individuelle Tanzsprachen zu entdecken und hier präsentieren zu können. Das Publikum hatte das Festival voll Begeisterung aufgenommen – die Vorstellungen, gleich ob im Kleinen oder im Großen Haus, waren sämtlich ausverkauft gewesen.
Was die Globalität des Tanzes betrifft, so denke ich, dass die Qualität einer Tanzsprache, einer Choreografie  immer, gleich auf welcher Ebene, auch etwas mit Individualität und Authentizität zu tun hat.

In den letzten Jahren haben Sie auch verstärkt deutsche Tanzproduktionen zum Festival eingeladen. Was hat sie dazu motiviert?

Ich wollte insbesondere zum Abschluss meiner Festivals hier, im Rahmen der  „Tanzwelten 2010“, in der „Langen Nacht der deutschen Compagnien“ den Beweis antreten, dass auch in Deutschland heute höchst individuell und facettenreich choreografiert wird. Und 80 Tänzer aus 18 Compagnien haben es dann auch an diesem einen Abend im Großen Haus des Staatstheaters gezeigt, dass es tatsächlich so ist. Es war ein in Deutschland so noch nie da gewesener Event.

Was sind Ihre Zukunftspläne nach Ihrer Braunschweiger Zeit? Was sind Ihre Träume, Wünsche ...?

Es war eine alles in allem sicher auch schöne, aber nichtsdestotrotz harte Zeit, ich hatte praktisch drei Jahre lang ohne Punkt und Komma durchgearbeitet – ich brauche jetzt erstmal Zeit für mich, wieder zu mir zu kommen.…