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Mandl1Christoph Mandl hat sich im reifen Alter entschlossen eine Tanzausbildung zu machen, über die er in der neuen tanz.at-Serie „I, move“ schreibt. Und so beginnt seine Geschichte:
Die ersten 50 Lebensjahre Körperfeindlichkeit, mehr als vier Jahrzehnte beruflich im Schreiben, nicht im Bewegen zu hause. Mit 40 einmal ein Herzinfarkt, der niemanden wunderte, nicht einmal mich. 

Jetzt bin ich 66, die vergangenen 16 Jahre habe ich ganz schön aufgeholt, punkto Bewegung: Standardtanz, Contemporary, Butoh, Klassisches Ballett. All das stand und steht unter dem Motto „Ist der Ruf mal ruiniert, tanzt man völlig ungeniert.“

Ich war, bei all den Tanz-Semestern, Tanz-Wochenenden, Impulstanzworkshops, immer wieder auf der Suche nach Anleitung, Struktur, Fort-Schritt im entwicklerischen Sinne. Ich hoffe, das alles jetzt endlich gefunden zu haben, Rosalia Chladek und ihren Stammhalter:innen sei Dank. 

Im Sommer 2021 fasste ich den Entschluss, mich für die berufsbegleitende Ausbildung im System Rosalia Chladek anzumelden. Das Ganze wird vier Jahre dauern, also muss man als Mittsechziger nicht nur körperliche Opfer bringen, sondern auch Optimist sein, den Abschluss noch auf Erden tanzend zu erleben.  

Doch die Geschichten, die ich hier schreiben möchte, sollen weniger von Rosalia, viel mehr von mir, handeln. Die Chladek kennt man ja, oder man kann sie nachlesen oder ihre wunderbaren Tänze (etwa „Der Tanz mit dem Stab“) aus einem Archiv ziehen. Es sind vorzugsweise meine eigenen Geschichten. Von einem Alten, der meist übergewichtig und untertrainiert, aber hochmotiviert, durch sein spätes Leben taumelt. Meine Geschichten sollen jenen Mut machen, die sich mit 36, 46, oder eben 66 zu alt fühlen, um in die Knie zu gehen, sich auf die Zehenspitzen zu erheben, sich einfach zu trauen. Die Geschichten sollen vielleicht aber auch jenen zu denken geben, die an den Tuning-Knöpfen der Tanzworkshops drehen dürfen und so manche Schraube so fest andrehen, dass gerade noch 30jährige mithalten können. Ja, ich weiß sehr zu schätzen, dass es mehrere Golden-Age-Angebote auch auf tänzerischem Sektor gibt. Nur ist mir diese Form geriatrischer Apartheid persönlich nicht angenehm. Solang ich noch stehen kann, will ich voll im Leben stehen.

Die Schultüte von meiner Gattin

Bei uns daheim herrscht das christlich-liberale Prinzip. Man muss nicht alles mögen, was der andere mag. Aber man anerkennt und fördert es nach Kräften. So bekam ich zeitgerecht vor dem ersten Ausbildungswochenende von meiner lieben Frau eine Schultüte, ähnlich, wie sie den Taferlklasslern von ihren nervösen Eltern ausgefolgt wird. Energieriegel, Traubenzucker, Schmerzsalben und viele andere wertvolle Sachen befanden sich in dem Sackerl und trugen - im Gegensatz zu den Taferlklasslern - dazu bei, dass ichnoch ein bissl mehr nervös wurde. Immerhin: der Orthopäde, der die erforderliche Eignungsuntersuchung durchführte, brach nicht in wieherndes Gelächter aus, als er sah, wofür er mich von oben bis unten biegen, strecken und prüfen sollte. Im Gegenteil: er war selbst einmal ausgebildeter Tänzer! Nur wurde ihm im Medizinstudium schnell klar, dass dieses die nachhaltigere Form des Broterwerbes bieten würde.

Jedenfalls bekam ich mein Tauglichkeitszeugnis und so gab es kaum mehr triftige Gründe, Rosalia einen Korb zu geben.

Demnächst: Blood, Sweat and Tears.