Silke Grabinger hat ein Experiment gewagt und sich vier ChoreografInnen und einem Komiker als Versuchsperson zur Verfügung gestellt, damit diese ihr Potenzial ausloten. Entstanden ist ein kurzweiliger Abend im Rahmen von ImPulsTanz, an dem die Versuchsperson zur Hauptperson wurde und die Gestalter in den Schatten stellte.
Zwei Jahre dauerte der Prozess, bis der Abend endlich Gestalt anzunehmen begann. Die Tänzerin Silke Grabinger hatte die ausgefallene Idee, den üblichen Vorgang einer Tanzaufführung – ein/e Choreograf/in, mehrere Tänzerinnen – umzukehren und mit mehreren Gestalter/innen zehnminütige Miniperformances zu erarbeiten. Sie selbst sollte der „rote Faden“ sein, der die Vorstellung zusammenhielt. Gelungen ist das Experiment nur zum Teil. Natürlich ist Silke Grabinger kein weißes Blatt, das sich von anderen so einfach beschreiben lässt. Was immer die Gestalter vorgeschlagen haben mögen, die Testperson hat es zu ihrem Eigentum gemacht. Es scheint, als blieben Gestalterin und Gestalter nur IdeenlieferantInnen.
Nach langem Hin und Her hatten sich endlich eine Choreografin (Anne Juren) und drei Choreografen (Hubert Lepka, Oleg Soulimenko und Philippe Rièra, aus dem Künstlerkollektiv Superamas) gefunden, die das Experiment mit Silke Grabinger wagen wollten. Als fünften lobte ImPulsTanz-Intendant höchst persönlich den aus Funk und Fernsehen bekannten Witzbold Dirk Stermann ins Team. Keiner wusste vom anderen, was der / die machte, dennoch hoffte die Initiatorin, dass ein geschlossener Abend aus den Puzzleteilen werden könnte, eben durch die Präsenz ihrer Person. Die war auch vorhanden, auch wenn die Einfälle noch so abstrus waren (wie etwa ein Video mit der Schauspielerin Maria Hofstätter, die einen Text über die Goldhauben-Tradition in Oberösterreich als Satire mit verzerrter Mimik sprechen musste). Wenn Grabinger die Bühne betritt, sei es um einen Schuhplattler zu mimen oder von ihrem Jahr in Las Vegas im Zeitraffergeplapper zu erzählen, ist alles gut.
Brav halten sich Stermann und Soulimenko an Silkes Biografie (in Oberösterreich geboren, beim Cirque du Soleil in Las Vegas gearbeitet), doch so wirklich mit dem Körper einer Tänzerin, mit einem unnachahmlichen Bewegungsvokabular und ebensolcher Mimik (von der Ästhetik / Schönheit werde ich nicht schwärmen, denn diese ist ja als nicht p.c. verpönt) hat sich keine(r) befasst. Anne Juren hat die interessanteste Kurzchoreografie geliefert, indem sie Silke als „Transformer“ agieren ließ. Die Kostümbildnerin Juliane Buchroithner hüllt sie allerdings in einen bauschigen Kokon aus lauter Babypuppen, die sich beängstigend mitbewegen, wenn Grabinger sich als unförmiger Golem regt und räkelt, dreht und wendet und sich in eine Sphinx verwandelt, bevor sie abrupt verschwindet. Superamas-Philippe lässt sie vor allem reden und dann vom Publikum auf Händen tragen. Gewagtes im Wagnis, aber hübsch anzusehen. Hubert Lepka nennt sein Stück „Mohn“, weil er der Tänzerin Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan in den Mund legt in dem die Feldblume erwähnt wird. Dazu trägt Grabinger auch ein Sommerkleidchen mit roten Blumen. Der Text ertönt aus dem Off, damit sich die Darstellerin auf dem Bett liegend und der Bühne schwingend auf ihre Gefühle konzentrieren kann. Was Silke Grabinger mit dem Hip-Hop / Breakdance Nickname „Silk“ wirklich kann, das hat der Choreograf Roderich Madl aus ihr herausgeholt. An diesem Abend bleibt sie leicht abzulösender Klebstoff für ein Puzzle, das nicht so recht zu einem Bild wird.
Doch zu hart soll das Urteil nicht ausfallen. Es war ein Experiment, Silke Grabinger die „Versuchsperson“, die das Risiko eingegangen ist. Zumindest ihr war anzusehen, dass sie großes Vergnügen daran gehabt hat.
„Versuchsperson Silke Grabinger“, im Rahmen von ImPulsTanz, Schauspielhaus, 9. August 2011