Mit dem Schwerpunkt „Village People – Die Dorfleute kommen in die Stadt“ hat das brut ein Thema mit Sprengkraft aufgegriffen. Klischees werden zertrümmert oder auch bestätigt. TänzerInnen und PerformerInnen beschäftigen sich mit Tanz, Bräuchen und Kultur auf dem Land, suchen nach ihren Wurzeln, oder versuchen sich davon zu befreien.
Mit intelligentem Witz betrachten die Rabtaldirndln aus Graz ein Frauenleben auf dem Land. Gemeinsam mit ihrem Knecht, dem Schriftsteller und Hirten aus Leidenschaft, Bodo Hell, haben sie eine neue Geschäftsidee entwickelt, die in der Generalversammlung des Unternehmens „Einkochen“ präsentiert wird. Aus den Früchten des Bodens, der Bäume und Sträucher wird der „Goldene Satz“ gekocht und teuer verkauft. Zum Verspeisen ist diese Maische nicht geeignet, sie dient als Wertanlage. Hell gibt während der Versammlung, bei der das Publikum stimmberechtigt ist, atmosphärische Zwischenberichte und spart nicht mit aktuellen Bezügen (auch er hat seine Erdbeeren mit fremdem Zucker bestreut). Die Dirndln (Barbara Carli, Bea Dermond, Gudrun Maier, Gerda Strobl) erscheinen im Business-Outfit samt High Heels, die unter dem Tisch gleich ausgezogen werden müssen. Singend erzählen sie von der Jungbäuerin, die eines Tage genug hat, Mann, Kinder, pflegebedürftige Schwiegereltern, samt Haus und Hof und Vieh verlässt, um ihr eigenes Leben anzugehen. Der Höhepunkt der straff geführten Generalversammlung ist jedoch die Demonstration des „Veredelungsprozesses“. Weg mit weißer Bluse und schwarzem Rock, pudelnackt hüpfen die Damen ins Schaff mit dem Obst-Gemüse-Brei, denn die Veredelung passiert durch ihre eigene Aura. Der Knecht spielt dazu auf der Maultrommel. Am Ende wird das Produkt, der „Goldene Satz“, in Gläser gefüllt. Die Shareholder warten schon.
Ohne Wort und Bilanzbericht kommt der Tänzer, Choreograf und Schauspieler Simon Mayer aus. In der brutstätte (Zieglergasse 25) zeigt er seine Sole „SunBengSitting“, eine präzise gearbeitete, energiegeladene Tanzdarbietung, die Elemente des klassischen Tanzes mit Volkstanzelementen und traditionellen Bräuchen (wie Aperschnalzen oder Schuhplatteln) und Machoverhalten nahtlos verbindet und zeigt, dass Stadt und Land nicht gar so weit voneinander entfernt sind, wie es manchmal scheint. Mayer schont sich dabei nicht, springt und dreht, rennt und arbeitet, spielt auf der Violine, singt und pfeift und unterhält so perfekt, dass erst nach der Vorstellung klar wird, was er uns alles erzählt und klar gemacht hat, ohne den Zeigefinger zu heben. Unterstützt wird Simon Mayer nicht nur von offiziellen Geldgebern, sondern auch von Elio Gervasi /raum 33, der wie so viele anderen (einschließlich des begeisterten Publikums) an das Potenzial des Künstlers aus Oberösterreich glaubt. Auch die Kreation „SunBengSitting“ trägt Potenzial in sich, das Mayer nutzen wird, indem er das Stück zur Ensembleproduktion erweitert. Dann werden nach Holzhacken und Sägen an die fünf Buam verschwitzt auf der Sonnenbank sitzen und den Applaus genießen.
„Einkochen“ die Rabtaldirndln
SunBengSitting“ Simon Mayer
Beide Aufführungen im Rahmen des brut-Themenschwerpunkts „Village People“, gesehen am 30. April 2014 (brut und brutstätte)
Nächste Vorstellungen am 6., 7., 8 Mai: Doris Uhlich „Verfassung“. Am 6. und 7. Mai ist das International Village Shop im brut im Künstlerhaus ab 20.30 Uhr geöffnet.