Zwei Nachmittage lang galt diese Aufforderung des Grazer Ballettensembles, das im Schloss Eggenberg und in seinem Park Tanz-Miniaturen präsentierte, zu barocken Klängen, dargeboten von Studierenden der Kunstuniversität: Mit Elan und offensichtlicher Freude als frühsommerlich-leicht(füßig)e Kost dem Stamm-Publikum und all solchen kredenzt, die derart mit Tanz konfrontiert „sein“ Publikum werden könnten.
Die Intention von Ballettdirektor Jörg Weinöhl, „unterschiedliche Wahrnehmungsebenen“ anzubieten bzw. bewusst zu machen, griff in vielerlei Belangen. Letztlich trug sogar das launische Wetter dazu bei, indem dieses durch zeitweise notwendigen „Tanz durch die Regentropfen“ vor allem von den Künstlern und Organisatoren mit Flexibilität pariert werden musste, was zielführend geschah, aber vom Publikum nichtsdestotrotz Gelassenheit abverlangte; und dieses Zur-Ruhe -Finden, also die „Verlangsamung“, gehörte ja durchaus auch zum Konzept, war grundlegender Gedanke etwa beim und zum „Flanieren“ zwischen den einzelnen Aufführungsorten. Besonders schön, wenn man dabei im Vorbeigehen an einer Musikerin ihren Klängen lauschen konnte oder aber von weitem Flötenklang vernahm, der sich im Näherkommen mit einer choreographischen Miniatur zu einem komplexeren Ganzen verband.
Die Auswahl der Musikstücke war den einzelnen Interpreten aus dem Studiengang für historische Aufführungspraxis überlassen worden, was einerseits eine bunte Vielfalt und andererseits eine besondere Verbindung zum Interpretierten und damit entsprechende Intensität der Widergabe bewirkte. Auch die TänzerInnen hatten Freiheit bei Form und Inhalt ihrer Darbietungen, wiewohl ihnen Weinöhl – als quasi roten Faden - thematische Anregungen vorgegeben hatte: Raum-Interaktionen, Zeit-Phänomene und die eigene Individualität betreffend. Auch dieser Ansatz bewirkte eine anregende und vor allem auch authentische Vielfalt – bei der man sich lediglich hie und da ein klein wenig mehr an Länge gewünscht hätte.
Bei der recht persönlichen, seinem emotionalen darstellerischem Können jedenfalls sehr entsprechenden, berührenden Sequenz Joao Pedro de Paulas etwa. Oder auch beim poetisch-philosophisch schwebenden Tanz-Sprach-Gewebe Eleonora Pennachinis; und auch dem innig-feinen Pas de Deux von Lorena Sabena und Miki Wakabayashi, mit bildhafter Intensität drapiert hinter den Holzverstrebungen des Pavillons, hätte man noch gerne länger zugesehen.
Männlichen Habitus von einst und auch jetzt persiflierten mit großer Ernsthaftigkeit und in bester Umsetzung Arthur Haas und Simon van Heddegem; und in köstlicher Commedia dell’arte Manier tummelte sich ein TänzerInnentrüppchen mit Gesichtsmasken zu den Klängen für Schalmeien; mehrere Paare belebten auch in bestem Sinne des Wortes den Planetensaal: Tanzten sie sich doch locker-fröhlich und doch mit ortsangemessener Würde quadrille-artig durch Stile und damit durch Zeiten.
Neben dem gesuchten Dialog mit dem gegebenen Raum entstand durch die Nähe zum Publikum (verstärkt durch die jeweils kleine Zusehermenge) zumindest viel an indirektem Dialog zwischen den beiden Seiten; und wenn dann wieder einmal das gesamte Corps de ballet ausgelassen tanzend und fröhlich geleitet von den 19 Musikerinnen gemeinsam mit dem Publikum ein Stück des Weges um das Schloss zogen, dann war schon auch das eine oder andere direkte Gespräch oder sogar Tänzchen miteinander zu beobachten. Ein charmant-luftiges Einander-Kennenlernen und Näherkommen ist mit dieser Veranstaltung auf jeden Fall geglückt.
Ein Kulturpolitiker sprach einmal davon, Graz zu einer Hauptstadt des Tanzes werden zu lassen … Das wird vielleicht auch auf diese Weise nicht ganz gelingen, aber dass durch derart ungezwungene Offenheit, durch derartiges Abbauen von streng etablierten Distanzen und harten Schwellen sich der eine oder andere für Bühnentanz zu interessieren beginnt, das ist gut vorstellbar.
Ballettensemble der Grazer Oper: "Komm mit …! in Schloss Eggenberg am 11. und 12. Juni 2016