Beim Gespräch mit Jörg Weinöhl am Tag der ersten Hauptprobe zu „Und der Himmel so weit – Ein Ballettabend für Franz Schubert“ war ein Ballettdirektor zu erleben, der nicht nur entspannt und anregend von der Uraufführung seiner Choreographie am Opernhaus Graz berichtet, sondern auch einer, der die Qualitäten eines Hauses der gegebenen Größe zu schätzen weiß: Die gute Zusammenarbeit und interne Kommunikation, das Engagement aller Beteiligten – hinter und auf der Bühne.
Ganz allgemein sieht er seine, in dieser Saison begonnene Aufgabe als Vermittler von Bühnentanz in dieser Stadt mit gleichermaßen viel Enthusiasmus wie Realitätsbewusstsein. Gerade weil er Mittelmaß in keiner Weise akzeptiere, gelte es, in diesem Haus für den Tanz „einen Ort zu schaffen, der eigen ist.“ Nicht um Vergleich oder gar Konkurrenz mit großen Häusern in Weltstädten handle es sich, sondern darum, „an Spezifischem für Graz zu arbeiten.“
Das, was im Rahmen von „Vor der Premiere“ am 20. März im randvollen Malersaal zu sehen und - wie auch im hier zitierten Gespräch - zu hören war, macht sehr neugierig und legt die Erwartungslatte hoch: Für eine Arbeit, an der Franz Schubert, Jörg Weinöhl und die Komponistin Isabel Mundry „konzeptuell beteiligt“ sind; eine, bei der laut Mundry „die ganze Spannweite von Schuberts Schaffen zu erleben ist“ oder, wie Weinöhl es ausdrückt, eine, die „zwischen Tradition und Moderne“ angesiedelt ist, die Schuberts Zeit umkreist und aus dieser auf die Gegenwart blickt.
Grundsätzlich ist ihm wesentlich, dass das Ergebnis Substanz habe und damit neben seiner Nachhaltigkeit Fragen aufwerfe. Weinöhl gehe es bei der choreographischen Entwicklung nie um Ästhetik, sondern um das Warum jeder Bewegung, um die klare, begründete Entscheidung für ganz genau diese. Und sie, die Bewegung, ist es, die in eben dieser Form einen Dialog mit dem Publikum eröffnen und aufbauen müsse; wie der Rezipient das Kommunizierte dann verstehe , sei allein seinem Denken und vor allem und in erster Linie seinem Empfinden überlassen.
Die Grundidee zu diesem Programm entstand im Wissen um Schuberts nicht mehr realisierbare Absicht, eine Oper für Graz zu schreiben; nun solle ihm hier „als Gast“ und in aller Ehrerbietung ein künstlerischer, musikalisch-theatraler Raum geboten werden: Das musikalische Konzept entwickelte Weinöhl einerseits rund um Symphonie-Sätze und andererseits, da er einen modernen Schubert zeigen will, in Zusammenarbeit mit der Komponistin Isabel Mundry anhand dreier, gemeinsam ausgewählter Schubert-Lieder, die in Mundrys zeitimmanenter Transformation einen Dialog zwischen ihr und Schubert darstellten, präsentiert werden. Sei es ja, so Weinöhl, einer der Aufträge im Tanz, dem Publikum neue Musik näherzubringen.
Die tänzerische Umsetzung des Abends sei eine außergewöhnliche, ja „zähe“ Herausforderung gewesen, gäbe es doch weder etwas, was als Erzählstrang Halt oder Leitlinie böte, noch das, was man als klassische Rollen bezeichnen könne. Vielmehr handle es sich um ein Konstrukt aus Gedanken und Empfindungen, das als „Umsetzung der Partitur“ firmiere. Also um die Idee des (Er-) Öffnens von Schuberts vielfältigem Schaffen - unter der Weite des Himmels, womit ein Bezug zum Titel gegeben ist, der ein Teilzitat aus dem Lied „die schöne Müllerin“ darstellt und eigentlich als „Nachklang des Abends“ zu verstehen sei: „Und der Himmel so weit“, was übertragen auf Schubert in etwa bedeute: sein Werk bleibe unbegreiflich in seiner Grüße und Tiefe.
Das Programm ist formal klar dreigeteilt: gut nachvollziehbar im Raumkonzept, das auch auf zeitlicher Ebene diesem entspricht - einerseits, andererseits aber gleichzeitig auch in sich verschränkt ist. Ein weiteres temporales Element, das der Wiederholung , sei, entsprechend dieses häufigen Phänomens in Schuberts Musik, ein wesentliches Merkmal seiner Choreographie sowie ein vielschichtiges, individuell zu nützendes Angebot an den Betrachter: So biete es etwa die Möglichkeit des Entspannens und Genießens, aber auch des Wiedererkennens, des Anders-Sehens, des rituellen Vertiefens, des Distanzierens von der Sucht nach immer Neuem.
Das zentrale, bipolare Thema sei im weitesten Sinne Ferne und Nähe, das seinen Bogen von körperlicher Umsetzung in Bewegungssequenzen bis zur Frage nach dem intellektuellen Begreifen-Können, nach Annäherung an Wahrheiten spannt.
"Und der Himmel so weit Ein Ballettabend für Franz Schubert" kommt am 1. April zur Uraufführung an der Grazer Oper.