Derösterreichische Regisseur und Choreograph Bernd R. Bienert hat bereits einige Opern der Wiener Klassik inszeniert. Er legt nicht nur auf eine historisch informierte Aufführungspraxis mit Originalinstrumenten Wert, sondern wendet auch Szene und Schauspielstil des 18. Jahrhunderts an. 2016 hat er Mozarts „Le Nozze di Figaro“ im Schlosstheater Laxenburg aufgeführt, filmisch festgehalten und daraus einen „Opern-Stummfilm mit Live-Musik“ gemacht.
Seine künstlerische Strategie ist dabei eine Art Reenactement, was weniger „Rekonstruktion“ von etwas unwiederbringlich Vergangenem bedeutet, sondern vielmehr eine diskursive Auseinandersetzung mit einer Kunstform aus gegenwärtiger Sicht.
Besonders interessiert Bienert der gestische Kanon beim Spiel, der in der Zeit Mozarts möglicherweise eine Mischform aus rhetorischem und veristischem Stil war. Das Barocktheater war rhetorisch determiniert und zeichnete sich durch ein stark reglementiertes Spiel aus. Jede gestische Bewegung bedeutete etwas Bestimmtes. Als im Prozess der Aufklärung die „Natur“ ihre Bedeutung änderte, wirkte sich das auch auf das Theaterspiel aus, es wurde „veristischer“. In der Oper könnten rhetorische Gesten schon deshalb zum Einsatz gekommen sein, um den gesungenen Text zu verdeutlichen.
Bienert wollte nun keinen klassischen Opernfilm machen, sondern kreierte mit filmischen Mitteln ein eigenständiges Kunstwerk, einen „auf eine Stunde verdichteten musikalischen Opernführer“, wie er sagt. Da er sich ohnehin historisch orientiert, lag es für ihn nahe, zu ästhetischen Mitteln des Stummfilmes zu greifen. Der frühe Film arbeitete schauspielerisch gesehen auch sehr gestisch. Es entstand ein Schwarzweiß-Film mit schriftlichen Texteinblendungen von „Le Nozze di Figaro“, die Bienert nach der deutschen Übersetzung von Goethes Schwager Vulpius geschrieben hat. Dazu spielt die Pianistin Eliana Morretti am Klavier.
Bienert: „Mich hat keine filmische Dokumentation einer Aufführung interessiert, mit den technisch perfektionierten Mitteln moderner Medien. Ich wollte die Unmittelbarkeit in einige Distanz rücken um den Charakter des Historischen und die zeitliche Entfernung zu wahren“. Es ging ihm mehr um Abstraktion und Verfremdung, denn keine der Komponenten stimmt mit der Aufführung überein: die Sänger singen im Film nicht, es gibt kein Orchester und das Bild, das die Zuschauer bekommen, ist ohne Farbe. „Im Auge des Betrachters werden die einzelnen tragenden Elemente einer dreistündigen Opernaufführung aus analog völlig asynchronen Bestandteilen zusammengesetzt und in eine neue künstlerischen Perspektive eines einstündigen Gesamt-Kunstwerks übertragen“, so Bienert.
Ein klein wenig möchte Bienert mit seinem Werk auch einem anderen, berühmten Opernfilm seine Reverenz erweisen: dem „Rosenkavalier“ von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss aus dem Jahr 1926.
Teatro Barocco „Le Nozze di Figaro“ am 16. Dezember 2018 und 6. Jänner 2019 im Metro Kinokulturhaus