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Choreografie der Arbeit, Schau männlicher Prototypen und Betroffenheits-Substitute: Drei Stücke im Brut im Konzerthaus bei Imagetanz. Während Tiina Sööt und Dorothea Zeyringer choreografische Elemente auf Arbeitsprozesse anwenden, entwirft Deborah Hazler Prototypen der Spezies „Mann“. Radek Hewelt trägt Self-made-Kleidung aus Qualitätsblättern wie Standard und Presse, aber bestückt die Bühne und seine Performance inflationär mit Betroffenheits-Surrogaten und Weisheiten aus Gratisblättern.

Ein trauriges Bild entwirft Radek Hewelt mit seiner „Substitute show“ auf seiner Self-Made Bühne, auf der alles bis auf ein Mikrofon und eine E-Gitarre mit Zeitungspapier ausgekleidet ist. Die Wände sind tapeziert mit Blättern des Boulevardblattes Österreich, die auch den täglichen Weg der U-BahnfahrerInnen durch die Stadt mit Glanzlichtern pseudo-journalistischer Weltsicht säumen. Hewelt erzählt von tristen, grauen Städten und leeren Supermärkten in seiner Jugend, im kommunistischen Polen. Was er damals gelernt hat, nämlich aus Nichts etwas zu erschaffen, will er auch jetzt, in Krisenzeiten in der kapitalistischen Welt anwenden. Er demonstriert auf erschreckende Weise, wie die Welt nach dem täglichen Konsum von „Gratis“-Information aussieht. Leider fügt er dem Abbild einer tristen Wirklichkeit keinen erkennbaren künstlerischen (Aus-)Weg hinzu. Aber vielleicht soll das homöopathische „Ähnliches mit Ähnlichem heilen“ hier eine künstlerische Entsprechung finden.

Sööt und Zeyringer zerlegen bei ihrer Arbeit „Never Name the Shelf“ den Aufbau eines aus ungefähr acht Platten-Teilen bestehenden Regals in choreografische Einheiten, Bewegungsschritte und rhythmisch strukturierte Handlungsprozesse. Die Aufmerksamkeit wird gezielt auf die einzelnen Bewegungen gelenkt und die Arbeitsschritte werden auch in sprachlich vermittelte Schritte und musikalischen Takt unterteilt. Heraus kommt eine humorvolle Verschiebung des Fokus von reiner Zielorientierung der Arbeit auf die dabei stattfindende, strukturierende Bewegung, die mit Aufmerksamkeit und bewusster Ausführung zu musikalischer Schönheit gelangt.

Deborah Hazler schlüpft bei „Anthropology of Man“ in Prototypen männlicher Vorbilder verschiedener Zeiten und rekonstruiert damit maskuline Körperlichkeiten: vom step-tanzenden Fred-Astaire-Verschnitt zum nerdigen Hipster, der seinen Schreibtisch mit Allen Ginsbergs „Howl“ schmückt und sich mit Twitter-Updates über Kim Kardashian und Lady Gaga versorgt. In seinen Mac klopft er Beschreibungen der Spezies Mann, dabei erklingt der altmodische Klang vom Betätigen der Tasten einer Schreibmaschine. Dann wieder schlüpft Deborah Hazler in die Rolle des 17-jährigen Richard Rogers, einem Vertreter der YouTube-Generation. Der Junge stellt sich verschiedenen Herausforderungen und dokumentiert das auf Video und versorgt seine Zuschauer und seine Netz-Community auf seinem Blog http://thisboyschallenge.wordpress.com/
: zum Beispiel dem Verzehr einer vorgegebenen Anzahl von Ferrero-Rocher-Nuss-Nougat-Kugeln. Er demonstriert damit einen der Wege zu männlichem Erfolg: „Einhalten von Regeln“. Er scheitert aber kläglich bereits an der dritten von elf Kugeln. Ebenso bei einem Push-up-Muskelaufbau-Programm, bei dem er nicht einmal die Hälfte der angestrebten Übungen schafft. Am liebsten jedoch produziert er Musikvideos, er singt „Creep“ von Radiohead: „I wish I was special, you're so fuckin' special; But I'm a creep, I'm a weirdo, …”. Eine präzise Studie männlichen Bewegungsvokabulars!

Imagetanz, 19.3.2013, Brut im Konzerthaus www.brut-wien.at