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Beef1Andrey Kaydanovskiy ist Choreograf, Rebecca Horner Tänzerin. Er war, sie ist Mitglied beim Wiener Staatsballett. Und sie sind ein Ehepaar. Nun wollen sie sich offenbar neue Tanzräume zu eröffnen. “BEEF” ist die Einstiegsproduktion für dieses Abenteuer. Die Uraufführung war 2024 auf der Burg Riom in Graubünden, Nach einer Station im Südbahnhotel Semmering feierte "BEEF" nun im Hotel Imperial Riding School seine Wien-Premiere.

Das Hotel wurde letztes Jahr mit einem modernen Designkonzept in den ehemaligen Räumlichkeiten der k.u.k. Militärreitschule in der Ungargasse eröffnet und ist Mitglieder der Event-Hotels-Gruppe. Es bietet einen erlesenen Rahmen, aus dem das Stück “BEEF” herauszufallen scheint. Denn die Choreografie knüpft an einen Begriff der Underground-Szene an und bedeutet eine Fehde im Hip-Hop.  In der höflich-coolen Atmosphäre des Hotels wirkt das wie ein – durchaus interessantes – Gegenprogramm. 

Gleich zu Beginn schieben sie einander zur Seite, wollen einander überbieten. Die weiße Farbe, mit der sie sich im Lauf des Stückes immer größere Flächen im Gesicht überschminken, verzerrt ihre Minen zu Fratzen. Die in Anzügen von Karoline Hogl gekleideten Figuren prallen in rasanten Bewegungssequenzen aufeinander, überrollen sich gegenseitig und verformen sich zu grotesken Körperbildern, angetrieben von dem Musikerduo RaaDie (Lorenz Raab, E-Trompete und Christof Dienz, E-Zither und Electronics), das die vier Tänzer*innen mit ihren Beats fernzusteuern scheint.

Beef2Immer aggressiver wird ihr Verhalten, steigert sich in einer brutalen Eskalationsspirale gegeneinander – bis einer reglos auf dem Boden liegen bleibt. Das verändert die Stimmung. Drei von ihnen wischen sich die Schminke von den Gesichtern, scheinen nach ihrem Machtrausch ernüchtert. Doch einer von ihnen bleibt in seiner Rolle und hat sich in ein Monster verwandelt. Er trägt seine verkrampften Hände wie ein wutschnaubendes Raubtier vor sich her. Ein anderer begegnet dieser Transformation mit mutiger Sanftheit, versucht die Starre wegzustreichen. So verdichtet sich „BEEF“ zu einer Studie über die Abgründe menschlicher Konfrontation: Wo Härte auf Weichheit trifft, bleibt am Ende nur die Vereinsamung im Kampf.

Bei der Umsetzung dieses Narrativs bedient sich der Choreograf einer für ihn ungewöhnlichen Bewegungssprache, die Anleihen an der Contact Improvisation nimmt. Sie wird von den Tänzer*innen – neben Andrey Kaydanovskiy und Rebecca Horner tanzen deren Staatsballett-Kolleg*innen Mila Schmidt und Robert Weithas – geschmeidig und doch mit der thematisch passenden Strenge ausgeführt.

PS: Die Aufführung ist eingebettet zwischen Willkommendrinks und einem Künstlergespräch mit ORF-Starmoderatorin Barbara Stöckl. Ich, und viele andere, kamen speziell für die Vorstellung. Dass ich alle Mitwirkenden benennen kann, verdanke ich einem Pressetext bzw. einer Google-Suche. Denn vor Ort war nirgendwo ein Hinweis auf die Künstler*innen zu entdecken. Das rückt die Aufführung näher an das Marketingverständnis eines Hotels als an die Professionalität einer künstlerischen Produktion.

"BEEF" am 22. Februar, Imperial Riding School