Die Arbeit von Liz King und ihrer Initiative "D.ID Dance Identity" im Burgenland beruht auf drei Säulen: den Residenzen, in denen internationale und Wiener Künstler einen Probenraum zur Verfügung haben; als Partner in verschiedenen EU-Projekten und Netzwerken; und in der Arbeit mit den Menschen vor Ort, die als „Body Focus Group“ kontinuierlich trainieren. All diese Aktivitäten fließen in die jährlich stattfindenden Burgenländischen Tanztage in Oberwart ein, die heuer zum 11. Mal stattfanden.
Als Partner in dem EU-Projekt „Dancing Museums“ arbeiteten fünf internationale Choreografen / Tänzer / Performer eine Woche in der Gemäldegalerie in der Akademie der bildenden Künste in Wien, um in einen künstlerischen Dialog mit den dortigen Gemälden zu treten. Zum Abschluss gab es ein Showing der entwickelten Arbeitsprozesse unter dem Motto „Sehen, Gehen, Sprechen“. In dem Spannungsverhältnis von tänzerisch-performativen Interventionen und den Alten Meistern wie Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck oder Hieronymus Bosch eröffnen sich für beide Kunstformen neue Perspektiven. Besonders anregend wurde es, wenn es zu einem interaktiven Erfahrungsprozess mit dem Publikum kam. Der von D.ID Dance Identity nominierte österreichische Tänzer Dante Murillo etwa teilte mit dem Publikum seine Auseinandersetzung mit Bosch’ „Weltgerichtstriptychon“: tänzerisch, verbal sowie mit einfachen Übungen zum Mitmachen. Was hier als informeller Atelierprozess gezeigt wurde, soll sich am Ende des zweijährigen Projektes im März 2017 zu einer partizipatorischen Performance in den acht Partner-Museen entwickeln. (Näheres auf der Projekt-Homepage Dancing Museums)
Vertreter der Partner-Organisationen in den EU-Projekten kamen auch zu den Burgenländischen Tanztagen, und so war das Festival nicht nur künstlerisch sondern auch das Publikum international durchmischt. Am ersten Abend des Festivals standen drei Nachwuchschoreografen aus Amsterdam, Großbritannien und Berlin, die vom Aerowaves-Netzwerk, (in dem D.ID Mitglied ist), für die Tournee 2016 ausgewählt wurden, auf dem Programm.
Der Nachmittag, den ich in Oberwart verbrachte, stand ganz im Zeichen der Body-Focus-Tänzer, mit denen die Tänzerin, Choreogarfin und Pädagogin Liz King seit vielen Jahren arbeitet. Die Bühnenpräsenz und professionelle Haltung, die sie in dieser Zeit erworben haben, konnten die Burgenländerinnen und Burgenländer dieser Gruppe mehrfach beweisen. Letzte Jahr etwa mit einer Choreografie des tasmanischen Choreografen Glen Murray. Heuer zum Beispiel in „A_Body Construction“, einem Stück, in dem die Choreografin Iris Dittler dem Transfer von Objekten in den Körper der Performer nachspürt. Eine Kupferplatte, ein Kupfergestell, eine Glühbirne, eine rotes Plastikrechteck oder eine Glühbirne sind Auslöser für Bewegungsaktionen, meist sehr zurückgenommen und in slow motion. Die spröde Arbeit wurde von Asher O’Gorman, Len Hanak-Hammerl, Klaus Kleinschuster und Monika Swoboda, alle vier Mitgliedern der Body-Focus-Gruppe, mit äußerster Konzentration und Integrität verkörpert. Die beiden letztgenannten hatten einen weiteren Auftritt mit dem Flamencotänzer Marco de Ana, einem in Sevilla lebenden Wiener Bailaor. Sein Stück „In-sis-tencia“ entstand auf der Grundlage von Rhythmik und Phonetik in der Dichtung von Gertrude Stein, entwickelte sich aber vor allem im Dialog von de Anas virtuosen Zapateados (mit und ohne Schuhen) mit dem Akkordeonisten Nicola Zaric. Eine faszinierende Performance, die die fünf Mittänzer im Laufe des Stückes jedoch immer mehr in Statistenrollen verwies.
Die Eröffnung des Nachmittagsprogramms bestritt die 20 Mitglieder starke Body Focus Group mit zehn Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, Äthiopien, Guinea und der Ukraine. Das „Weltstück“ ist das Ergebnis einer viermonatigen Zusammenarbeit und zeigt, wie Einheimische und neu Angekommene in einem vorsichtigen Prozess der körperlichen Annäherung miteinander in Beziehung treten. Liz King hat einige Übungen aus ihren Workshops zu einer Choreografie verdichtet und gab am Ende den Tanzboden für den individuellen Tanz der Mitwirkenden frei. Noch ist das „Weltstück“ ein berührendes Beispiel für eine mögliche, kulturelle Integration. Mit mehr Zeit werden die teilnehmenden Tänzer sicher auch für komplexere choreografische Herausforderungen bereit sein.
Der Samstagnachmittag endete mit Milan Tomášik & Co und der Arbeit „Silver Blue“. Der junge, in Slowenien lebende Choreograf thematisierte darin die Diskrepanz zwischen einer gewalttätigen Gesellschaft und dem Streben nach euphorischem Glücksgefühl in einfachen Bildern und mit großem tänzerischen Einsatz.
Bleibt noch die wahrscheinlich wichtigste Schiene des D.ID Dance Identity-Programms, die Residenzen, zu erwähnen. Sehr oft ist die burgenländische Tanzinitiative Koproduktions- oder unterstützender Partner bei Künstlern aus der Wiener Szene, deren Stücke etwa im Brut oder im Tanzquartier zur Premiere kommen. D.ID Dance Identity leistet diesen Support in Form von Residenzen mit Probenräumen und einer Wohnung in Pinkafeld. In diesem Jahr probten etwa Navaridas & Deutinger ihre „Queen of Hearts“-Produktion, die heuer auch bei den Burgenländischen Tanztagen zu sehen war. Auch Simon Mayer erarbeitet sein Solo „Sun Beng Sitting“ unter anderem in Pinkafeld und beschloss heuer das Festival mit seinem neuen Stück „Sons of Sissy“.
Auch wenn das Burgenland auf der österreichischen Tanzkarte nach wie vor unterrepräsentiert ist, so hat Liz King mit ihren vielfältigen Aktivitäten auch im östlichsten Burgenland deutliche Zeichen gesetzt, die nicht nur auf Wiener Tanzbühnen sondern international ausstrahlen.
Burgenländische Tanztage, 12. bis 15. Mai 2016 im OHO und anderen Spielorten in Oberwart