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Cendrillon1Ein Abend ganz für jene Tänzer des Wiener Staatsballetts, die an der Volksoper beheimatet sind und sonst vor allem als Support-Tänzer in Oper, Operette und Musicals zum Einsatz kommen. Ballettchef Manuel Legris hat erneut Thierry Malandain eingeladen, um mit ihnen sein „Cendrillon“ (Aschenputtel) zur Wien-Premiere zu bringen. Keine kleinliche Wahl, denn immerhin hat der Choreograf dafür den Taglioni – European Ballet Award 2014 erhalten.

Nach dem Doppelabend „Mozart à deux“ | „Don Juan“ gibt es nun also ein weiteres Malandain-Programm im Repertoire der Volksoper Wien. In seiner Version hat der künstlerische Leiter des Ballet Biarritz die Grimmsche Version von Aschneputtel mit Charles Perraults Erzählung von Cendrillon vermischt, hat dem von ihrer Stiefmutter und ihren Stiefschwestern misshandelten Mädchen einen Ausweg ins Feenreich eröffnet und damit das Märchen außerhalb der Realitätsebene gestellt. Der Choreograf stimmt damit auch mit dem  Komponisten Sergej Prokofjew überein, der nach eigener Aussage sein Ballett als Metapher für die „poetische Liebe“ zwischen Aschenputtel und dem Prinzen verstanden hat.

Daher hat Malandains Ballett insgesamt einen zauberhaften, irrealen Touch, der vor allem durch die Einfachheit der Mittel entsteht. Das Bühnenbild bleibt die ganze Zeit hindurch unverändert. Jorge Gallardo hat dafür 300 schwarze High Heels zu einem Vorhang arrangiert, der die Bühne umfasst. Im Mittelpunkt des Balls beim Prinzen haben die Tänzer schwarze, kopflose Schaufensterpuppen auf fahrbaren Untergestellen zur Partnerin. Einfache Kostüme ohne royalen Prunk auch für Cendrillon und ihren Prinzen: ein weißes Kleidchen mit einigen Glitzersteinen und ein cremefarbener Anzug verleihen den beiden jedoch auch ihre Würde.Cendrillon2

Cendrillon (grazil, verletzlich und bezaubernd: Mila Schmidt) flüchtet hier in eine Traumwelt, in der sie von Elfen geleitet wird oder in der sie sich an ihre Kindheit mit dem Vater erinnert. Dass sie allen Grund hat, dem Mobbing der angeheirateten Verwandten zu entkommen, das machen die schrillen Travestie-Interpretationen der Stiefmutter und deren Töchter Javotte und Anastasie (László Benedek, Samuel Colombet  und Keisuke Nejime) nur zu deutlich. Mit ihrer Aufdringlichkeit, sich die Gunst des Prinzen (charmant: Andrés Garcia-Torres ) zu sichern, werden sie zu dessen Alptraum: Auf seiner Reise um jene Frau zu finden, die in den gefundenen Schuh passt, erscheinen sie ihm sogar als spanische und als arabische Tänzerin. Und noch bevor er sein geliebtes Cendrillon wieder trifft muss er mit ihnen das unmögliche Unterfangen der Schuhanprobe durchexerzieren.

Cendrillon3Wenn der Prinz und Cendrillon am Ende fröhlich vereint im Feenreich landen, begegnen sie dort auch ihrem Vater (Patrick Hullman), der seine verstorbene Frau in der guten Fee (Kristina Ermolenok) wiedergefunden hat. Zurück bleiben die Stiefmutter, Javotte und Anastasie, die die Erde gießen, aus der sich die Arme der schlafenden Elfen als sprießende Pflanzen ranken.

Diese Szene hat Thierry Malandain für den Schlussapplaus choreografiert, und die letzten Takte von Prokofjews Musik gingen so im donnernden Applaus unter. Vielleicht keine elegante, musikalische Lösung, aber ein weiterer Hinweis, dass es im Märchen keinen Schlusspunkt gibt. Das Volksopernorchester unter der Leitung von Guillermo Garcia Calvo hat jedenfalls auch dieses Mal mit seinem Spiel überzeugt.

Wiener Staatsballett „Cendrillon“, Premiere am 13. November in der Volksoper Wien. Weitere Vorstellungen: 17, 27. November, 5. Dezember 2016, 16., 22., 26., 29. Jänner 2017