Mit ihrem Konzept für das Tanzhafenfestival bringen die Leiterinnen Ilona Roth und Ulrike Hager noch bis 31. Mai Bewegung in die Stadt Linz. An verschiedenen Spielorten finden überwiegend mehrteilige Abende mit kürzeren Stücken statt. Am Wochenende gab es zwei "Community Days". Inge Gappmaier bespielte die Landesgalerie. Auch das Storytelling Festival Linzstory setzte auf Geschichtenerzählen ohne Worte.
Die Wandlung der Industriestadt Linz in einen Kultur-Hotspot ist rasant. Das Lentos-Museum, das Ars Electronica Center, das Musiktheater, sind einige der Prestige-Objekte, die in den letzten Jahren das Stadtbild verändert haben. Mit der Anton Bruckner Privatuniversität und der Kunstuniversität Linz werden hochkarätige künstlerische Ausbildungsmöglichkeiten geboten. Doch darüber hinaus können sich auch kleinere Kulturinitiativen behaupten. Eine davon ist die „RedSapata“ Tanzfabrik für die lokale Tanzszene in der Tabakfabrik, die sich als Plattform, Vermittlerin und Netzwerk versteht. Vor vier Jahren hat RedSapata-Mitbegründerin Ilona Roth zusammen mit Ulrike Hager das Tanzhafenfestival aus der Taufe gehoben. Mittlerweile ist das zweiwöchige Festival als Präsentation nicht nur, aber doch vorwiegend lokaler Produktionen, ein fixer Bestandteil des Linzer Kulturkalenders. Heuer wird es in Zusammenarbeit mit dem Lentos Kunstmuseum, dem Ars Electronica Center, der Landesgalerie Linz und dem Posthof Linz realisiert.
Der Veranstaltungssaal im Lentos eignete sich (auch) für die Stücke des „Community Day“ hervorragend. Gezeigt wurden Tanzprojekte „mit besonderem Augenmerk auf soziale, kulturelle und integrative Aspekte“. Ilona Roths Projekt „10+10 Brücken“ entstand in Kooperation mit SOS Menschenrechte und baute mittels des kreativen Tanz/Theaterprozesses Brücken zwischen Einheimischen und Flüchtlingen. Roth gelang es diese sehr heterogene Gruppe zu einem Ensemble zusammenzuschmelzen. Teamarbeit und solistische Interventionen wechselten einander ab. Es wurde weder eine Geschichte erzählt noch eine Message geliefert, sondern eine Collage alltäglicher Begebenheiten wie Machtkämpfe, Eifersucht oder Liebe verkörpert, niemals plakativ, auch durchaus Konfliktives aufgreifend – und von beachtlicher künstlerischer Integrität. Sozial- und gesellschaftspolitische „Nebeneffekte“ stellen sich bei dieser Arbeit von selbst ein, denn sie resultieren aus der kreativen Arbeit auf das gemeinsame Ziel „Performance“.
Die beiden anschließenden Stücke, „Lasst uns die Welt retten“ von Claudia Kreiner und Doris Jungbauer mit Kindern (kidZ physical theatre) und „Keine Luft mehr“ von Christine Maria Krenn (Ballettschule danceschool Horn) verfehlten die künstlerische Auseinandersetzung durch ihren intellektuellen Zugang. Hier wurden Themen zu Umwelt und sozialem Stress vor allem auf verbaler Ebene verhandelt. Das ging über banale Statements aber nicht hinaus. Für die physischen Interaktionen und Tanzsequenzen blieb da wohl keine Probenzeit übrig. (Fairerweise sei erwähnt, dass das Kinderstück von Kreiner/Jungbauer angeblich in nur fünf Proben entstand.) Girl-Power bewiesen die Mitglieder des „B-Girl Circle“, einem Projekt von SILK Fluegge unter der Leitung von Silke Grabinger.
Im Rahmen der Ausstellung „Bauhaus – Beziehungen Oberösterreich“ präsentierte Inge Gappmaier ihre Choreografie „particles“ in der Landesgalerie Linz. Inspiriert von den Bauhaus-Tänzen entwickelten die drei Tänzerinnen – Lena Pirklhuber, Stefanie Sommer und die Choreografin – in meditativer Konzentration das geometrische Bewegungsmaterial auf mehreren Stationen weiter. Sie führten das Publikum über die repräsentative Stiege der Landesgalerie zur Ausstellung, nützten Nischen und Treppenabsätze als Aktionsräume. Oft waren die drei räumlich weit voneinander entfernt und doch miteinander verbunden, hin und wieder trafen sie zu einem gemeinsamen Tanz aufeinander. In ihren bunten Kostümen wirkten sie mal wie Eindringlinge in die Welt der statischen Bilder, dann wieder wie notwendige Ergänzungen dazu. Nie aber stand diese ruhige Arbeit im Gegensatz zur überlegten Haltung der Protagonisten dieser Ausstellung wie Hans Joachim Breustedt, Franz Oehner oder Herbert Bayer, die alle am Bauhaus studiert hatten oder tätig waren und in Linz Mitglieder der Künstlervereinigung MAERZ waren.
Doch nicht nur das Tanzhafenfestival widmete sich dem zeitgenössischen Tanz, auch das Storytelling Festival von Folke Tegetthoff brachte den Abend „Erzählkunst: Ohne Worte“ mit kurzen und kurzweiligen Acts auf die Bühne des Brucknerhauses. Der junge Stéphane Deheselle aus Belgien etwa beeindruckte in seinem "experimetal dance" mit der schlangenhaften Beweglichkeit seiner Gelenke, vor allem der Schultern und Arme. Zu sehen war in diesem Variet#e-Programm auch Cho Kairin aus China, der die verblüffende Kunst des Maskenwechsels ebenso beherrscht wie Akrobatik. Das Duo Ezra und Marcos „El Retrete de Dorian Gray“ aus Spanien bestach durch clowneske Kleinkunst. Ihre aus Luftballons entstanden Figuren verwandelten mit der passenden Musik zu expressiven Tänzern. Oder der virtuose Musik-Comedian Gabor Vosteen, der aus Mund und Nase mehrer Flöten gleichzeitig zum Klingen bringt. Aber in die Herzen der Zuschauer geigte und sang sich die elfjährige Allegra. In komplizenhafter Musizierfreude mit ihrem Vater, dem Kontrabassisten der Wiener Symphoniker Hans-Joachim Tinnefeld, erwies sich das hochbegabte Mädchen firm in allen Sparten von Klassik, Jazz und Pop bis hin zum französischen Chanson. Als Sängerin behält die kunstfertige Geigerin dabei ihre natürliche Stimme: kräftig, ausdrucksstark aber eben doch noch kindlich. Einfach schön.
30. Internationales Storytelling Festival "Linzstory" 26.-20. Mai 2017
Tanzhafenfestival 2017: 15. bis 31. Mai