Nabelschau und Selbstpräsentation zählen zu hinlänglich bekannten Formaten. Dass es aber auch in diesem Bereich neue, andere Zugänge gibt, dazu musste erst die in Budapest geborene Krisztina Emese Horti beschlossen haben, mit einem zeitgenössischen Tanz-Solo und eingestreuten performativen, kabarettistischen Elementen ihre künstlerischen Zelte in Graz aufzuschlagen.
Das heißt, dass es in Graz „geiler“ ist, das erkannte sie ja schon im zarten Alter von zwei Jahren, wie sie launig im Verlauf der Performance erzählt, und wuchs bald gut integriert also in dieser Stadt auf. 17 Jahre lang mit dem streng disziplinierten Haupt-Lebensinhalt einer Gymnastin. Zwei Jahre Tanzausbildung in Berlin und ein weiteres halbes, tänzerisch sehr prägendes Jahr in Israel folgten, bevor sie sich nun, schemenhaft hinter durchsichtigen Plastikbahnen, ihrem zukünftigen Publikum vorzustellen begann. Als vielschichtige, selbstkritische junge Persönlichkeit, wie von Anfang an klar wird, wenn sie nach weichem Bewegungsfluss zu rhythmisch wechselnder Musik mit einem Ruck die verschleiernden Bahnen herunterreißt – und verschwindet. Mit dem Rücken zum Publikum nähert sie sich diesem dann langsam in zahlreichen kleinen, tänzerisches Können repräsentierenden Bewegungssequenzen; zögernd-schüchtern, bis sie sich umdreht und mit offenen, entgegengestreckten Händen „schutzlos“ zeigt: „Hallo“ … Ja, ein Stück über mich und mich und mich“, beginnt sie zu plaudern; die Frage nach Authentizität, die stellt sich im folgenden Mosaik persönlicher und fiktiver Inhalte zu keinem Augenblick. Zu überzeugend ist jede der formal differenziert aufbereiteten, dramaturgisch gut aufgebauten Szenenfolgen. Etwa in Reminiszenz an den „verrückten“ Drill ihrer Gymnastik-Zeit, „ein bisserl verbissen“, wie sie berichtet, während sie dehnt und dehnt und trainiert; „Ich bereue nichts“ wird glaubhaft betont (bevor Edith Piaf „übernimmt“) und Emese schließlich ein wenig von ihrem diesbezüglichen Können in einem Reifen- sowie Bändertanz vorführt. Eine ästhetische Glitzer-Szene, die sie mit überraschendem Stopp in Richtung Musik beendet, um sich lautstark über eine weitverbreitete Ärgerlichkeit zu alterieren: über die Scheu vieler Menschen zu tanzen („Tanzen ist das natürlichste Workout, das es gibt“) – und schließlich Anwesende zu einem gemeinsamen Tanz auf der Bühne animiert: Nicht oft ist Interaktion mit dem Publikum so stimmig zu erleben.
Nach der Pause wird Kurtl vorgestellt, womit sie, mit aufgemaltem Bart und männlichem Gehabe, einen völlig anderen Ton anschlägt - die Genderproblematik mit ernster Unverblümtheit kabarettistisch anspricht und in performativer Aufbereitung visuell umsetzt: mit Bierflasche plus Jonglage einerseits, in High-Heels und mit aufgesetztem Sexappeal andererseits.
Was sie aber vor allem interessiere, sei „wenn wir die Schritte, die uns wirklich bewegen, gemeinsam tun“. Uns so zielstrebig-logisch, wie sie ist, hat sie auch bereits ihre eigene, eine dem zeitgenössischen Tanz verpflichtete Kompagnie gegründet, die Latihan Dance Company („Latihan“ bedeutet einfach nur „Übung“ und ist eine dynamische Meditationsform, die einem hilft, besser mit seiner eigenen inneren Führung in Verbindung zu sein). Sie ist mit dieser, ihrer Kompagnie, mit der Anfang Oktober 2017 eine erste Produktion geplant ist, mitten im Aufbau.
Und sie ist auch noch für sich selbst mittendrin; denn da gehört schon noch gefeilt und geschärft; da bedarf es vor allem noch der Tiefenbohrung, um zu wirklich abgerundeten Ergebnissen zu kommen. Aber ein höchst eigenständiges, kreatives Potenzial, gepaart mit mehrschichtigem Können, das hat sich schon bei diesem Vorstellungs-Programm gezeigt – vielversprechend, keine Frage.
Krisztina Emese Horti „Who the F is Emese?“ Premiere am 7. Juli 2017 im Kristallwerk Graz