Den unvergleichlichen Charme sowie einen (möglichen) allgemein gültigen wie zeitimmanent-kritischen Tiefgang des Cirque Nouveau, des Neuen oder Zeitgenössischen Zirkus‘, bekunden zwei KünstlerInnen-Paare auf zweierlei Art in zwei unabhängigen und doch locker-leicht verbundenen Kurzstücken; unterstützt von minimalistisch eingesetzten technischen Mitteln, künstlerisch aufbereitet mit kreativ-akrobatischem Können.
Einem Können, das auf tradierter Zirkuskunst wie die mit Jonglierkeulen, Stäben, hand to hand acrobatics oder Clownerie ebenso basiert wie auf Bewegungstheater-Elementen, Tanz, Objekttheater, elektronischer Musik und nicht zuletzt auf der des Erzählens einer Geschichte, die durch das gesamtkunstwerkliche Konzept von Regie und Choreografie leitet.
Der Wiener Dada Zirkus präsentierte sein ältestes Stück „Das Sein verwirrt das Bewusstsein“: Das Zusammenfinden zweier ähnlicher wie in gleichem Maße unterschiedlicher Wesen; das der schwarz-weiß gestreiften Ballerina mit Bart (André Reitter) und des ebenso gewandeten, schwabbeligen Clowns (Arno Uhl). Manch Erwartungshaltung wird hier akrobatisch zerpflückt, Klischees werden auf den Kopf gestellt und durch die Luft gewirbelt, romantische Harmoniesehnsüchte aber auch kurzzeitig befriedigt – um sich umso ironischer alsobald aufzulösen. Vieles wird nur angedeutet, versteckt sich also fast ebenso hinter ungewöhnlicher Artistik wie das Können, das all diesem Tun zugrunde liegt; was auch für die musikalische Begleitung von Roxanne Szankovich auf ihrer Geige und mit ihrer Stimme gilt.
Ein Zusammenspiel von Live-Musik und Akrobatik in mehr als außergewöhnlicher, immer wieder von neuem überraschend faszinierender Art gelingt der Grazer Akrosphäre in ihrer neusten Produktion „Xpec“, die in Zusammenarbeit mit Elelei Company aus Barcelona entstand (Outside Eyes: Sophie Staud, Aurelia Staub, Julia Pauer).
Die PerformerInnen Yasmine Heyer & Uwe Sattelkow präsentieren in diesem „Akrobatik-Pas de deux“ im Grunde ein hochartistisches „Pas de Trois – Hybrid“; angelegt mit und gegen, um und über und unter und neben einem E-Piano. Alles klar? Na, dann schauen Sie es sich an. Was ist schließlich aktueller als der in Frage stehende Übergang von Mensch/Lebewesen zu Objekt und umgekehrt; die Frage nach der Grenze und der der Ersetzbarkeit. Hier wird diese Identitätsfrage jedenfalls leichtfüßig-leichthändig umspielt, statische sowie schwerkraftentsprechende Grundsätze weitgehend ignorierend. Das fasziniert kognitiv und entspannt emotional nachhaltig.
Nach der Premiere dieses Doppelprogramms im Theater Odeon in Wien am 1. und 2. März dieses Jahres und Gastspielen in Leibnitz und Pliberk/Bleiburg wurde die nahezu ausverkaufte Graz Premiere mit langem und begeistertem Applaus quittiert.
Dada Zirkus und Akrosphäre: „DadaSphäre – ein Abend, zwei Stücke“ am 27.April.2023 im Kristallwerk Graz.