Jorma Elo ist an der Wiener Staatsoper eine schwungvolle Umsetzung des Shakespear'schen Schauspiels gelungen. Anfangs ist Hyppolita, die Königin der Amazonen den Avancen des Königs Theseus nicht eindeutig gewogen, auch wenn der Hochzeitstermin bereits festgesetzt ist.
Puppenhaft wird Hermia zwischen Lysander und Demetrius hin- und hergerissen, der Vater gibt Demetrius den Vorzug, Hermia aber will Lysander. Helena läuft Demetrius hinterher, der aber von ihr nichts wissen will und ganz auf Hermia fixiert ist. Die Komödie der Liebeswirren hat begonnen.
Im Feenreich hänseln die kleinen Feen Puck, der vom Elfenkönig Oberon beauftragt wird seine Gemahlin Titania, mit der er gerade im Streit ist, ein Elixier auf die Augen zu träufeln, das sie dazu veranlasst, sich in das erste Wesen, das sie erblickt zu verlieben. Puck träufelt diese magische Mixtur auch auf die Augen von Demetrius und Lysander, die im Wald eingeschlafen sind und beim Aufwachen als erstes Helena sehen und von nun an um diese buhlen. Titania ist Zettel, einem der Handwerker, die von König Theseus beauftragt wurden, für seine Hochzeit ein Stück einstudieren, ganz verfallen. Nur, dass Zettel von Puck zuvor in einen Esel verwandelt worden war ...
Ende gut, alles gut - Helena bekommt Demetrius, Hermia ihren Lysander und Theseus seine Hyppolita, die nun bei seiner Berührung lustvoll erschaudert. Oberon und Titania versöhnen sich, Puck bleibt Puck und muss mit den lästigen Feen fertig werden.
Jorma Elo hat den „Sommernachtstraum“ ganz nach Shakespeares Vorlage und zu Mendelssohn Bartholdys Musik tänzerisch umgesetzt. Dass das zum Erfolgsrezept wurde, liegt an einer geschickten Dramaturgie, einer wirkungsvollen Tanzsprache, die klassische Beinarbeit mit dem Modern Dance Idiom in den Arm- und Handgesten verbindet. Die reichlich und konsequente eingesetzte Pantomime sorgt für humoristische Pointen - die TänzerInnen dürfen outrieren, dass es eine Freude ist. Und vor allem geht sein Konzept auf, da die hinreißenden TänzerInnen in diesem Stück ihre Persönlichkeiten voll und ganz einbringen und den Witz durch exaktes Timing leichtfüßig über die Bühne bringen. Sie tanzen und (panto)mimen nach Herzenslust und versprühen eine Spielfreude, wie sie im Ensemble schon lange nicht mehr zu sehen war. Die SolistInnen entpuppen sich in diesem „Sommernachtstraum“ nicht nur als hochmotivierte TänzerInnen, sondern als begabte SchauspielerInnen: Karina Sarkissova als Hermia ist eine selbstbestimmte Tochter, die ihren verliebten Lysander (Roman Lazik) tugendhaft in die vorehelichen Schranken weist. Nina Poláková ist von Demetrius (András Lukács) besessen und lässt auch nach wiederholten Abweisungen nicht von ihrem Ziel ab. Die tollpatschigen Handwerker unter dem tölpelhaften Spielleiter Squenz (Thomas Mayerhofer) und mit dem etwas gewiefteren Zettel (Gabor Oberegger) erwecken Shakespeares derbe Truppe mit Akrobatik und Virtuosität zu quirligem Leben. Ketevan Papava ist eine edle Hyppolita, die in ihren zwei Auftritten mit Theseus (Wolfgang Grascher) die ganze Bandbreite von Liebesgefühlen verkörpert. Für Mihail Sosnovschi ist dieser Puck eine weitere Paraderolle, in der der Tänzer seine Vielseitigkeit zur Gänze ausschöpfen kann. Olga Esina als Titania allerdings sitzt der Schalk nicht im Nacken. Die edle Ballerina bleibt bei ihrer Begegnung mit Esel Zettel ebenso kühl und distanziert und wie im Versöhnungs-Pas de deux mit Oberon (würdig-verschmitzt: Vladimir Shishov).
Sandra Woodall hat bei ihrer Ausstattung keine Scheu vor Kitsch. Zur Darstellung des Athener Hofes dient eine drehbare, mit Hieroglyophen versehene Goldwand, der Feenwald ist hingegen von ornamentalen Beleuchtungselementen durchzogen. Eine ganz besondere Rolle spielen die ElevInnen, die von Ausstatterin Sandra Woodall mit leuchtenden Hüten und Röckchen bekleidet wurden und wie Glühwürmchen über die Bühne wuseln - oder wie Lichterketten zu fliegen scheinen, wenn sie über eine Rutsche zu Boden gleiten.
Jorma Elo ist ein frischer, temporeicher und unterhaltsamer Abend gelungen, der durchaus traditionell daherkommt. In seiner temporeichen Choreografie lässt er das klassischen Ballett dennoch heutig wirken. Michael Halász dirigiert das Orchester (mit dem Violinsolisten Rainer Küchl) und den Chor mit ausgeprägtem, romantischem Ausdruck. Begeisterter Applaus des Premierenpublikums.
Ein Sommernachtstraum, Wiener Staatsoper, 30.03.2010
Weitere Vorstellungen: 3., 6., 15., 18. April 2010