1958 feierte Puccinis melodramatische Leidensgeschichte „Tosca“ in der Regie von Margarethe Wallmann (1901?-1992) an der Wiener Staatsoper Premiere. 55 Jahre danach hat diese Inszenierung nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Die räumlichen Anordnungen (Ausstattung: Nicola Benois) sind der auf historischen Tatsachen beruhenden Handlung gemäß konzipiert und geben den SängerInnen viel Freiheit zur individuellen Rollengestaltung.
Margarethe Wallmann war ursprünglich Tänzerin und Choreografin. Von 1934 bis 1938 leitete sie das Ballett der Wiener Staatsoper. Nach ihrem durch die Nazis erzwungenen Exil in Argentinien, kehrte Wallmann bald nach dem Krieg nach Europa zurück und war in den 1950er Jahren vor allem eine gefragte Opernregisseurin. Bei ihrer „Tosca“-Inszenierung, die dankenswerterweise bis heute im Haus am Ring zu sehen ist, fällt vor allem die geschickte räumliche Anordnung der Handlungsebenen auf.
Während der weitläufige Kirchenraum im Hintergrund erst gegen Ende durch eine Prozession bevölkert ist, spielen sich die Begegnungen des aus der Haft entflohenen Republikaners Cesare Agelotti und seinem Beschützer, dem Maler Mario Cavaradossi im vorderen rechten Bühnendrittel statt. Auch die Liebesszene, aus der Cavaradossis Geliebte, die Diva Floria Tosca, ein Eifersuchtsdrama macht, ist auf den kleinen Raum beschränkt. . Bedrohlich erscheint dahinter der grandiose, graue Kirchenraum, der, als der feierliche Gottesdienst mit dem Te Deum beginnt, zur Arena für die Allmacht des repressiven Kirchenstaates wird.
Die Handlung des zweiten Aktes im Arbeitszimmer des Polizeichefs Baron Scarpia spielt sich in einem Dreieck ab: ein Tisch mit zwei Stühlen und einem Kandelaber auf der linken Seite ist quasi das Zentrum von Scarpias Macht, ihm gegenüber befindet sich die Tür, die in den Folterraum führt. Von dort hört Tosca die Schreie ihres Geliebten. Dazwischen ein Sofa, Sinnbild und Ort des unsittlichen Antrags, den Scarpia der Sängerin stellt. Vor diesem wird sie den brutalen Polizeichef erstechen: „Das ist Toscas Kuss“, singt sie dabei.
Der Engel auf der Engelsburg thront als überdimensionale Statue vor dem Exekutionsplatz, auf dem Tosca und Cavaradossi voll illusionsfroher Zuversicht ihre Flucht planen. Er wird zum Racheengel, als sich Scarpias Versprechen, wonach Cavaradossi die Scheinhinrichtung überleben wird, als falsch erweist und sich Tosca nach seiner Erschießung in die Tiefe stürzt.
Die Besetzung der gesehenen Vorstellung erfüllte die höchsten Erwartungen an dieses melodramatische Werk, dessen zeitliche Rahmenhandlung auf historischen Tatsachen, der Beendigung der Papstherrschaft in Rom durch Napoleon und die darauf folgende Konterrevolution am Ende des 19. Jahrhunderts, beruht. Die grandiose Angela Gheorghiou glänzte als Tosca und vermochte mit ihrem vielschichtigen Timbre alle emotionalen Stimmungsfacetten ihrer Rolle zu füllen. Im ersten Akt jung und übermütig (auch in ihrer überbordenden Eifersucht), wird sie im zweiten Akt zur souverän handelnden Heldin. Großartig als ihre Partner waren Marcelo Álvarez als Mario Cavaradossi und Zeljko Lucic als abgrundtief böser Baron Scarpia. Brillant das Orchester unter der Leitung von Marco Amiliato. Fazit: ein erlesener Opernabend auf der Höhe der Zeit.
„Tosca“, Wiener Staatsoper am 11. September 2013, weitere Vorstellungen in dieser Spielzeit: 15. September 2013 (diese Besetzung), 17., 19., und 22. Jänner, 13. und 15. März, 23. und 27. Juni 2014