23 TänzerInnen des Nationaltheaters von Pristina, Kosovo, zu Gast im Grazer Schauspielhaus. Hinter ihnen einer, der auszog, das Heute im Kosovo mittels Tanz einzufangen; das, was dort jetzt die Menschen bewegt - bei und nach all dem, was dort passiert(e): Darrel Toulon, Chefchoreograph und Ballettdirektor der Oper Graz, nennt das gemeinsame künstlerische Ergebnis „your stories, my story“.
Als Hinweis auf die Entstehungsgeschichte und wohl auch als Verweis darauf, dass bei aller versuchter Annäherung von biographische Realität und visueller Realisierung dies immer zweierlei bleiben wird; im gegebenen Fall verstärkt durch kulturell distanzierende Faktoren und vor allem durch das Thema eines erlebten Krieges, das sowohl ihm, dem künstlerisch „Übersetzenden“, wie auch den Rezipienten weitgehend unbekannt ist.
Wieviel in dieser Region im Fluss war und ist, das teilt sich in der guten Stunde, in der diese Choreographie Geschehnisse aufzuarbeiten wie zu vermitteln trachtet, schon durch die fast leere Bühne mit, auf der umso effektvoller Bänke bewegt und mit unterschiedlichen Inhalten besetzt werden: Diese sich derart ergebenden grafischen Akzente transportieren etwas von unerbittlichen Fakten der geschilderten Welt. Die damit einhergehende häufige Trennung von strengstens geordneter Menge und einigen wenigen Solisten in Aktion gehören zu den nachhaltigsten Bildern und Eindrücken; zum Teil auch in markantem Gegensatz zur in anderen Szenen gezeigten verstörten Hilflosigkeit einer brodelnden Menge.
Energielose Passivität, in der sich gerade noch stereotype Gemeinschaftsaktionen Raum verschaffen können, überzeugen insbesondere in den Anfangsszenen; kraftvoll in gemeinsamem Tun herausbrechende Verzweiflung und Auflehnung sowie Suche nach einem Morgen artikuliert sich immer wieder sowohl verbal wie auch in der Bewegung: In einfachen Bildern zum Teil, aber für das Erzählte doch zumeist stimmig. Als tänzerischer Höhepunkt ist ein Pas de Trois dreier Männer im ersten Teil hervorzuheben (Fatmir Smani, Fisnik Smani, Kreshnik Musolli).
Dass insgesamt ein eher traditionelleres Bewegungs-Repertoire aus Zeitgenössischem wie auch Ballettgeprägtem zum Einsatz kommt, sollte aufgrund der Ausbildungssituation der TänzerInnen vor Ort kaum überraschen. Diesem Faktor ist es auch zuzuschreiben, dass sowohl Präsenz und Ausdruckskraft wie technisches Können verständlicherweise nicht immer ganz an das heranreichen, was das „westliche Auge“ auf und von großen Tanz-Bühnen zu sehen gewöhnt ist.
Die Qualität des unter den gegebenen Trainings- und Erarbeitungs-Umständen Erreichten ist nichtsdestoweniger beachtlich und wurde auch mit anhaltendem Applaus des gut besuchten Hauses berechtigterweise gewürdigt.
Ballett des Nationaltheaters Pristina am 30. Mai im Schauspielhaus Graz (Uraufführung: 30. Oktober 2014, Pristina)