Völlig überraschend gab heute der Grazer Ballettchef Jörg Weinöhl seinen Rücktritt mit Ende der Saison bekannt. Und das, nachdem er noch gestern eine überaus lehrreiche wie unterhaltsame Einführung in die Kunst des Springens gegeben hatte: „Illusion und Schwerkraft“. Auch wenn die „Schüler“ erwachsen sind, wird in dieser Reihe Grundwissen vermittelt: Solches über den Bühnentanz, über die Arbeit des Balletts der Oper Graz.
Und dass es wiederum Interessantes zu erfahren gab, davon zeugte nicht nur das angeregte Geplapper – pardon: Stimmengewirr nach der „Stunde“, sondern auch, dass es in den dicht gedrängten Reihen mucksmäuschenstill war; ob es etwas zu sehen gab oder aber Zuhören angesagt war.
Er erwies sich aber auch als ganz besonders gut vorbereitet, der Herr Lehrer – pardon: Ballettchef Jörg Weinöhl. Das mag auf Erfahrungen mit dieser Reihe aus der vergangenen Saison zurückzuführen sein: und/oder auf das Thema dieses Abends „Illusion und Schwerkraft“, bei dem es also um das Springen, um Sprünge im Tanz ging: Insofern nämlich als ihm diese, wie er launig aus seiner eigenen Tänzerlaufbahn berichtete, also die Sprünge gar nicht besonders (am Herz) lagen. Als Konsequenz hatte er vielleicht den hierfür richtigen, den „respektvollen“ Abstand, um umso einfallsreicher und eingängiger das Programm zum Thema zu gestalten.
So hatte er seine Tänzer gebeten, ihren jeweiligen Lieblingssprung in eine kleine Schrittkombination einzubauen und mit den Kolleginnen dann vorzuführen. Der erste Tänzer zeigte und erklärte kurz ein noch relativ einfaches Beispiel des Springens und führte es gemeinsam und in kleinen Gruppen mehrmals mit allen vor. Einer nach dem bzw. der anderen folgte mit zunehmend anspruchsvollen Sprungvariationen und -Arten. Zwischen den einzelnen Beispielen gab es allgemeine und spezifische Erklärungen dazu von Weinöhl und seiner Ballettmeisterin Jaione Zabala. Die derart erreichte vielfältige Anschaulichkeit bewirkte ein ansatzweises Begreifen all dessen, was hinter dieser Ausdrucksmöglichkeit im Tanz so alles steckt. Eine überaus gelungene Aufbereitung.
Im zweiten Teil des Programmes war in einem Vortrag zu erfahren, wie ein (tanzbegeisterter) Mediziner die Belastungen und eventuellen Traumata sieht, dem das „Kunstobjekt“ Körper während der Karriere ausgesetzt ist. Sport-Chirurg Gert Schippinger wusste nicht nur dank der zahlreichen fotografischen Illustrationen, sondern auch durch seine klar formulierten Ausführungen die Zuhörer zu fesseln; außerdem war auch für jeden „Durchschnittsmenschen“, Nicht-Tänzer oder Hobbysportler so manches für den Alltag zu lernen.
Dass zum Ausklang choreografisch und tanztechnisch sehr unterschiedliche Szenen aus „Meine Seele hört im Sehen“ zu sehen waren, rundete nicht nur die 11/2 herausfordernden Stunden entspannend ab, sondern bot auch – „didaktisch wohlüberlegt“ – die Möglichkeit, das Erfahrene in der Rezeption nun anzuwenden.
ABC des Tanzes, Studiobühne der Grazer Oper, 8. November 2017