Bernd Bienert inszenierte ein weiteres Werk im Umfeld der Wiener Klassik in historisierender Art: Haydns kurze Oper „L’isola disabitata“. Im Theatersaal des Congress Casino Baden bot er mit Kulissenbühne, beherztem Orchester und lebhaft gestikulierenden SängerInnen wieder einmal Erfreuliches für Auge und Ohr. Haydn wählte für seine zweiaktige azione teatrale ein Libretto Pietro Metastasios, eines der erfolgreichsten Operntexter aller Zeiten.
Er war poeta cesareo am Kaiserlichen Hof in Wien und schrieb auch Libretti für Glucks Reformopern. „L’isola disabitata“ stammt aus 1753 und wurde an die 30 Mal vertont, zum Beispiel von Niccoló Jommelli oder Giovanni Paisiello. Es ist eine witzige Story um einen Schiffbruch in der Karibik, angelehnt an den damals populären Roman „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe.
Costanza (Megan Kahts) und ihre Schwester Silvia (Misaki Morino) leben seit dreizehn Jahren auf einer einsamen Insel. Hierher gelangten sie nach einem Schiffbruch, und mit dabei war noch Costanzas Gemahl Gernando (Hyunduk Kim). Doch bald schon war er verschwunden, was Costanza als Flucht ohne sie missinterpretierte. Tatsächlich war er von Piraten entführt wurden. Seine verlassene Gattin schlägt sich mit der kleinen, noch kindlichen Schwester durch und hadert mit dem Schicksal. Sie erzieht Silvia zur Männerhasserin, obwohl es ja keine Männerseele auf der Insel gibt.
Nach dreizehn Jahren entkommt Gernando und kehrt auf die Insel zurück, begleitet von seinem Freund Enrico (Sreten Manojlovic). Er hat zwar kaum Hoffnung, seine Frau zu finden, doch dann ist es soweit, und nach einigen Irrungen und Wirrungen fallen alle einander glücklich in die Arme und verlassen die Insel zusammen.
Bienert hat wie schon in seinen früheren Arbeiten eine kleine Kulissenbühne in den Saal gebaut mit farbenfroh gemalten Illusionen von Natur und Meer, die sich gut mit den originellen barockisierenden Kostümen (Bienert) ergänzen. Das Licht ist von warmer Intensität und froher Stimmung, und alles zusammen ergibt ein schönes, bewegtes Bild. Denn die Bewegung ist es, die Bienerts Stil kennzeichnet. Auf der Suche nach einer darstellerischen Entsprechung zur historisch informierten Aufführungspraxis in der Musik hat er sich intensiv mit Schauspieltheorie des 18. Jahrhunderts beschäftigt. In dieser Zeit wurde sehr gestisch gespielt, in einer anderen Auslegung des Begriffes „Natur“ als heute.
Natürlich war vor allem die Periode jener Werke, die Bienert zur Aufführung bringt, eine Übergangszeit und man versuchte sich im Spiel klar vom bereits überlebten barocken Gestus abzusetzen. „Affekte“ wichen mehr und mehr „Gefühlen“, und das bürgerliche Subjekt konstituierte sich als empfindsames Individuum. Die Forderungen der Theoretiker, die uns überliefert sind, bedeuten zwar nicht, dass auch tatsächlich auf der Bühne so agiert wurde. Theorie und Praxis klaffen ja stets auseinander. Am Sprechtheater herrschten wieder andere Gesetze als in der Oper, die noch immer mit viel Maschinenzauber abging.
Doch rein pragmatisch gesehen, aufgrund der relativen Dunkelheit auf der Bühne in einer Zeit ohne elektrische Beleuchtung, mussten die Darsteller anders agieren. Und so sind die Gesten, die Bienert seinen SängerInnen choreographiert, einerseits darin begründet, und zum anderen verdeutlichen sie tatsächlich das Libretto. Bienerts Vorteil hierin ist seine Erfahrung als klassischer Tänzer und Choreograph, denn er schafft es jedes Mal, eine ausgefeilte Linie in den gesamten Bewegung zu erzeugen. Alle vier SängerInnen schaffen es, die Moves so zu verkörpern, dass ihr Spiel und Gesang tatsächlich eins werden.
Christoph U. Meier leitete das zwölfköpfige Orchester auf historischen Instrumenten beherzt, und dem Premierenpublikum gefiel das untypische Haydn-Werk mit den auskomponierten Rezitativen und tadellosem Gesang äußerst gut. Wobei hierin vielleicht noch eine Anregung läge: etwas mehr Beachtung der Belcanto-Tradition, die der Opera Seria entsprach, wäre im Sinn der historisch informierten Aufführungspraxis vielleicht noch wünschenswert.
Teatro Barocco: „L’Isola disabitata“ von Joseph Haydn. Premiere am 22. März im Congress Casino Baden. Nächste Termine: 31. März, 1. und 2. April