Abtauchen in ein wildes Abenteuer der Phantasie. Darum geht es in „Shadowland“ – einer vor zehn Jahren aus der Taufe gehobenen Performance-Show. Nun ist das 1971 von Moses Pendleton, Jonathan Wolken, Lee Harris und Robby Barnett gegründete Pilobolus Dance Theatre aus Connecticut mit seiner charmanten Geschichte um ein Mädchen an der Grenze zum Erwachsenwerden wieder auf Tour.
Das fabulöse Spiel aus wenig mehr als Licht und Schattengebilden von neun auf unterschiedlichste Weise artistisch-tänzerisch eingesetzten Interpreten hat weder Staub angesetzt noch etwas von seinem berückenden Reiz verloren. Es nimmt seinen Lauf auf, sobald die Hauptprotagonistin das zentral von der Decke baumelnde weiße Kleidchen berührt. Unter Blitz und Donner rollt die gesamte Crew herbei und hebt sie in die Lüfte. Das Mädchen will abheben – doch da sind noch Mama und Papa, die ihren Augenstern beim Experimentieren mit Lippenstift, Rauch- und frechen Anmachposen erwischen. Also flüchtet sich das pubertäre Kind auf dem Rücken dreier zusammengekauerter Männer in den Schlaf. Ein probates Ausbüchsmittel, hätten die Eltern ihrem Nachwuchs nicht zuvor noch sein Stoffhündchen in die Hände gedrückt.
Was folgt, ist ein bildgewaltiger Albtraum-Rausch, der auch den Zuschauer auf eine unglaubliche Reise der Metamorphosen schickt. Die turbulente Handlung, in der das Mädchen erdiger Materie, einer wundersamen Riesenblume und komischen Kreaturen bis hin zu einem Sauriermonster begegnet oder sich gegen mit Nudelholz und Hackmesser bewaffnete Allesfresser und eine boshaft-irre Zirkustruppe behaupten muss, hat sich Kinderbuchautor Steven Banks (SpongeBob SquarePants) ausgedacht. Balladen, Rocksongs und ein jeweils zu den bewegten Bildern passender Soundtrack des amerikanischen Musikers und Filmkomponisten David Poe verleihen dem originellen Ausflug in die Welt der Schatten 75 pausenlose Minuten lang poetische Tragkraft.
Zum Glück versinken die visuelle Schönheit und skurrilen Bildfindungen, die die Performer mit akribischer Perfektion und stets perfektem Timing in einer Zwischenwelt aus kleinformatigen und großen Leinwänden vor starken Lampen vollführen, nie in Harmlosigkeit. Denn da ist diese riesige Hand. Erst knetet sie dem Mädchen den Kopf weg. Dann wird das ganze Menschlein zum süßen Hund. Dessen Kopf muss die Tänzerin ab da allerdings in allen Schattensequenzen behalten. Auf Reisen wird sie wegen dieser Abnormität ausgelacht. Dann findet sie einen Begleiter. Doch der schmeißt das ungeschickte Wesen nach einer Überlandfahrt genervt aus seinem Wagen.
Anschließend trifft das Hundemädchen auf ein dubioses Paar und wird als kuriose Sensation abgeschleppt. Szenen wie diese beschränken sich aber nicht nur auf Bilder der Illusion. Hier dürfen die Darsteller in direkter Beleuchtung agieren und die Raffinessen ihrer Kunst zeigen. Ob Auto, Elefant oder Krabben im Schlamm – mittels skulpturaler Gruppenformationen und ineinanderfließender Bewegungsabläufe kriegen sie einfach alles hin.
Man verfolgt und jagt sich in halsbrecherischem Tempo durch Schluchten, Höhlen und mit Wasserwesen gefüllte Täler. Bis zum finalen Erwachen. Aus dem Taumel des Happy Ends entwickelt sich zum Schluss noch eine herrliche Zugabe aus lediglich verknäulten Körpern. Ein ganz neuer Blick auf die Top-Sehenswürdigkeiten der Stadt!
Pilobolus „Shadowland“ am 16. April im Prinzregententheater München. Nächste Tourneestation: Alte Oper Frankfurt, 24. bis 28. April