Weltweit erregen sie Aufmerksamkeit, faszinieren und begeistern Ballettfans sowie solche, die es gar nicht werden wollten: Les Ballets Trockadero de Monte Carlo, vulgo Les Trocks. Erstmals zu Gast in Graz füllten sie die Reihen des Opernhauses mit entsprechend Erwartungsvollen; und die Luft mit zu erwartendem häufigen Szenen- und langanhaltenden Endapplaus.
Mehr als 40 Jahre ist es her, dass sich in New York eine Gruppe tanzbegeisterter, gut ausgebildeter Ballett-Tänzer formierte, um ihrer Leidenschaft in der Form der Travestie zu frönen; so, wie sie ehemals Ludwig XIV mit breitenwirksamer Selbstverständlichkeit in Abgrenzung zum höfischen Zeremoniell propagierte. Den Trocks ist bei ihrer Art des Auftritts eine der maßgebenden Intentionen allerdings eine ganz andere: das klassische Ballett schmunzelnd-spitzbübisch ein wenig aus seinen starren Angeln zu heben; und vielleicht noch mehr: die mit Ballett verbundenen Vorurteile der hehren Steifheit und Unantastbarkeit dieser Kunstform zu entkräften. Sie tun es mit gleichermaßen bewusst menschlich fehlerhafter, liebevoll-unerbittlicher Ernsthaftigkeit wie mit charmant-witzig ausgefeilter Technik. Eine Mischung, die in ihrer Widersprüchlichkeit dem abgehobenen Spitzentanz bei allem hohen Niveau Lebensnähe und damit Verständlichkeit gibt: Es tut zweifellos vielen gut, außerordentliches Können entspannt und mit einem Lächeln auf den Lippen bewundern zu dürfen.
So mag es für den einen oder anderen auch eine bereichernde Erfahrung sein, den (den meisten bekannten) geheimnisvollen Glanz makellos schönen Bewegungsflusses aus Schwanensee (gezeigt werden Szenen aus dem 2.Akt) einmal in einer weniger „vollkommenen“ Fassung schätzen zu lernen (müssen); ein wenig als Art Gruppen-Übung in der Kunst des allseits angesagten Perspektivenwechsels.
Was auf die Spitze getriebenes Agieren erreichen kann, ist vielfältig. Die Trocks zeigen ihre, Auffassung davon: eine in Schräglage, eine Überspitzung dessen, was wir normalerweise als gut empfinden. Die dadurch bewirkte Infragestellung ist erst recht gut. Ihre Überzeichnungen zum Teil als zu deutlich zu empfinden darf allerdings auch als „gut“ anerkannt werden.
„Go for Barocco“ gilt in seinem Stil, geprägt von George Balanchine, als choreographischer Meilenstein. Die hier gezeigte, von Peter Anastos choreografierte Version, erweist sich als eine besonders stimmige Mischung aus klug zurückgenommenen Slapstick-Mini-Szenen, kindlich verspielten, bezaubernden Ensemble-Szenen und einem grandiosen Auftreten – solistisch und im Pas de deux mit Eugenia Repelskii/Joshua Thake – von Helen Highwaters /Duane Gosa.
Da könnte es ein folgendes Schwanen-Solo schwer haben, die Begeisterung vor der Pause nochmals aufleben zu lassen. Aber bei so viel an dynamisch-leichtfüßiger Geschmeidigkeit und gestischer Interpretationskraft dauert es nur wenige Sekunden, bis die gesamte Aufmerksamkeit Olga Supphozova/Robert Carter gilt: Gelingt es hier doch, in dieser unpathetisch-eigenständigen Version des sterbenden Schwans, der Szene witzige Spritzigkeit zu geben, ohne das Berührende zu verleugnen.
„Raymonda’s Wedding“ nach Marius Petipa ist in der gezeigten Aufbereitung der Trocks im besten Sinn und ihnen und ihren Intentionen entsprechend ein heiter-amüsierendes Divertissement. Da kann mit Lust fast jeder Künstler zeigen, was er Besonderes kann - zur ungetrübt-entspannten Freude des Publikums. Schön, dass insgesamt das doch eher harmlose Fest eine locker-sommerliche (Augen) Freude ist und dass Raymonda, leichtfüßig fein und schwungvoll interpretiert von Nina Enimenimynimova/Long Zou, ein Sahnehäubchen mit ihren Soli draufsetzt.
Les Ballets Trockadero de Monte Carlo, Opernhaus Graz. 25.Juni 2019. Weitere Vorstellungen bis 30. Juni