Yosi Wanunu und sein glänzendes Ensemble toxic dreams haben sich einer Ikone der österreichischen Politik angenommen. Prompt hat ihnen die Serie „The Bruno Kreisky Lookalike“ einen „Nestroy“-Preis 2019 für die beste Off-Produktion eingebracht. Gratulation! Denn im Gegensatz zu einem bekannten Netflix-Produkt, dessen Schlussepisoden erst kürzlich völlig absoffen, verlieren bei Wananu auch die letzten Folgen der Sitcom (7 bis 10) nichts an Brisanz, Spannung und Witz.
Auch wenn der aus Israel stammende Yosi Wananu seit 1997 in Wien in der freien Szene arbeitet, so ist er doch ein Old-School-Theatermacher – im besten Sinn. Mögen seine Überlegungen noch so komplex sein (wie die Beschreibungen im Programmheft nahelegen), das Ergebnis der Umsetzung ist fesselndes und kluges Entertainment. Dabei übersetzt er aktuelle Inhalte in neue Formen, in diesem Fall experimentiert er frisch-fröhlich mit dem Format einer TV-Serie und hat dafür natürlich die Struktur dieses Formats eingehend analysiert und daraus eine überzeugende Bühnensituation entwickelt.
In seiner Einleitung erklärt Wananu, wie die aktuelle politische Entwicklung mit Ibiza und Neuwahl sein gesamtes Konzept über den Haufen zu werden drohten, lässt die Zeit seit den Folgen 4 bis 6 (April 2019) kurz Revue passieren, (in der unter anderem in Bezug zur Ballettakademie der Wiener Staatsoper auch „die Ballettlehererin die böse Stiefmutter ersetzt hat“). Der Regisseur grenzt sich gleich einmal von derzeitigen Moden in der freien Szene wie nackte PerformerInnen oder immersives Theater ab (obwohl es von Letzterem auch an diesem Abend kleine Kostproben gibt). Letztlich aber habe das Ergebnis der Nationalratswahl und die dabei erfolglos gebliebene Sozialdemokratie keine Veränderungen im Originalskript erforderlich gemacht.
So ist nun das Publikum im WUK Zeuge des Making Of der letzten Episoden. Wir befinden uns in den Proben vor dem Drehtag. Der Regisseur interveniert immer wieder, lässt Szenen wiederholen. Und so ist es eben auch durchaus drin, dass die SchauspielerInnen einmal einen Aussetzer haben. Alles sehr sympathisch.
In den letzten Folgen der Sitcom, werden Hermann Swoboda,der Bruno Kreisky Lookalike (Markus Zett) und als solcher Werbeträger für eine Reihe von Produkten, und seine Frau Eva (Susanne Gschwendtner) zum Kanzlerkandidaten-Team für die Nationalratswahl aufgestellt.
Zuerst wird aber noch mit dem Team des erfolgreichen Personality-Placements Sylvester gefeiert. Der Bruno Kreisky Champagner wird präsentiert, der Bruno Kreisky Lookalike hüpft zum Donauwalzer im Tutu über den Bildschirm. Später promotet er die Kakerlaken-Milch (übrigens keine Erfindung des Autors Wananu, sondern das neue Superfood, wie eine schnelle Google-Search bestätigt).
Hermann Swoboda hat seine zweite Identitätskrise (die erste fungierte ja quasi als thematische Vorgabe für die Serie) und kehrt nun über den Umweg als Bruno-Kreisky-Double zu seinem ursprünglichen Ich zurück. Die Psychotherapeutin (Anat Stainberg) macht aus beiden „Verwandlungen“ erfolgreiche Geschäftsmodelle. Auch die Werbeagentur (mit Anna Mendelssohn als Chefin, Dominik Grünbühel und Isabella-Nora Händler als ihre AssistentInnen) passt sich den neuen Gegebenheiten an und managt nun halt das Produkt Wahlkampf. Die Agentin des Kreisky-Doubles (Stephanie Cumming) wird ebenfalls weiterhin gebraucht. Angesichts der neoliberalen Strategien und Botschaften, hat der Politikberater Mister Red (Florian Tröbinger) zwar Vorbehalte, stehen sie doch diametral den Werten der Sozialdemokratie entgegen. Das ist Anlass für einen kleinen Maskentanz der SPÖ-Leader seit Kreisky.
Doch das engagierte Wahlkampfteam weiß seine Zweifel zu zerstreuen, lässt das potenzielle Kanzlerduo nicht nur Maximaleinkommen versprechen sondern beschwört mit dem berühmten Vorbild auch die gute alte Zeit.
Es ist schon ein diebisches Vergnügen, wie Wananu auf dem Zeitgeist surft, wie er alpenländischer Folklore und Weltgeschehen eloquent und clever verknüpft, oder wie er die Frage nach linken Werten seziert. Ob diese im Lichte einer ad absurdum agierenden Konsumgesellschaft ins Heute hinüberzuretten sind, bleibt freilich offen. Ebenso ob das Ehepaar Swoboda, das als Mr & Mrs Clean Korruptionsfreiheit propagiert, am Ende den Einzug ins Bundeskanzleramt schaffen wird. Der finale Schnitt erfolgt kurz vor der Verkündung des Ergebnisses im ORF …
Wananu hat es zu Beginn verkündet: drei Stunden wird das p.t. Publikum auf den unbequemen Stühlen verbringen. Ich hielt das für einen Witz, doch tatsächlich – und diese Stunden sind vergangen wie im Flug. Denn wie gute Sitcoms macht auch die Performance „The Bruno Kreisky Lookalike“ süchtig und ist allemal ein genialer Theatercoup.
Toxic dreams: „The Bruno Kreisky Lookalike. A Sitcom in 10 Episodes: Episode 7-10”, Premiere am 10. Jänner 2020 im WUK. Weitere Vorstellungen täglich bis 18. Jänner