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Jocson3Auch wenn das Gros der Zuschauenden keine Hausangestellten beschäftigt: Selten verunsichert eine Performance so, erzeugt so viele innere Konflikte und wirft so viele Fragen auf wie die der beiden „Magic Maids“ Eisa Jocson und Venuri Perera. Sie durchdringen eine eh schon poröse Mauer um aufgeschreckte Gewissen mit ihren Erzählungen von einst vornehmlich aus dem globalen Süden rekrutierten Arbeiterinnen im privaten Umfeld.

Eisa Jocson ist in Wien keine Unbekannte. Sie gastierte bereits mehrfach im Tanzquartier Wien, zuletzt 2022 mit „Manila Zoo“, davor 2018 mit „Princess“. Beide Performances, Teile der „HAPPYLAND“-Serie, thematisieren Walt Disneys an US-amerikanischen Werten und Lebenswelten orientierte Glücksvorstellungen. Die in Manila lebende philippinische Choreografin, Tänzerin und bildende Künstlerin taucht in ihren stets politischen Arbeiten mit poetischen Bildern tief ein in (post-) kolonial und patriarchal geprägte gesellschaftliche Strukturen.

Mit ihrer derzeit in Amsterdam lebenden Partnerin Venuri Perera, Choreografin, Performance-Künstlerin, Kuratorin und Vermittlerin aus Colombo (Sri Lanka), beschreibt sie in dieser hier als Österreichische Erstaufführung gezeigten Performance das Phänomen „Workbitch“, wie die Hausangestellten in einem Song tituliert werden. Aus den Ergebnissen umfangreicher Recherchen hierzu und über die Verschränkung mit der Geschichte der europäischen Hexenverfolgung destillieren die beiden Performerinnen, Exotinnen in den Augen mitteleuropäischer Weißer, ein hochkomplexes Bild unterdrückter, dennoch aber selbstbewusster und rebellierender Frauen.

Die an der Rückwand aufgestellten Besen mit überlangen Stielen, ausladenden Strahlen aus Reisstroh oder effizienzorientiert breiten Borsten-Riegeln werden zu Ko-Performern. Zwischen ihre Schenkel geklemmt fegen sie wie Hexen auf dem Besen reitend langsam über den Bühnenboden. Vorn ragt der Stiel wie ein langer erigierter Penis aus ihrem schwarzen offenen Mantel. Losgelassen schlägt ein Stiel protestierend auf dem Boden auf. Sie knien betend im Doggy Style, bereit zu Unterwerfung und Kopulation. Besen werden workload-induziert zu verlängerten und vervielfachten Gliedmaßen, aber auch zu erweiterten Handlungsoptionen, Machtinstrumenten und zu mit spiritueller Bedeutung aufgeladenen Gegenständen. Jocson2

Mit einer Fülle von einfachen, aber komplexen Bildern, generiert aus Performance, Tanz, Sound und Musik (von Soraya Bonaventure), Lichtdesign (Ariana Battaglia), Kostümen, Gesang, Text und Sprache und nonverbaler und verbaler Interaktion mit dem Publikum, erstellen sie einen poetisch verfremdeten Report, der von vielen Leben und Erlebnissen im privaten Sektor beschäftigter weiblicher Hausarbeiterinnen erzählt. Nur das. Sie enthalten sich jeglicher Bewertung der zuweilen erschütternden Berichte. Eine Frau wurde mit 24 Nägeln im Körper im Flughafen „erwischt“. Die Geschichte einer Hausangestellten, die von dem erst 17-jährigen Sohn ihres Arbeitgebers geschwängert wurde und 10 Jahre ins Gefängnis musste, weil sie beschuldigt wurde, schwarze Magie angewandt zu haben, um ihren Herren zu verführen, schockiert. 

Sie beleuchten das Thema vielfältig. Mit „Ihr braucht uns, wir brauchen euch. Ihr wollt uns, wir wollen euch.“ verweisen sie auf die Verflechtung von ökonomischen Interessen und Abhängigkeiten und häuslichen Notwendigkeiten. Ausbeutung, Diskriminierung, Entrechtung, psychische und physische Gewalt und Vergewaltigungen sind häufige Folgen. Ein beeindruckendes Mahnmal für die vielen Opfer erschaffen sie, indem sie nach und nach viele Besen in ein über ihnen gespanntes Netz aus Schnüren hängen. 

Jocson1Dem Macht-Missbrauch der Herren setzen die zwei Performerinnen über die individuelle Arbeits- und Fürsorge-Leistung hinaus die Machtstrukturen umkehrende Momente entgegen. Die Performance erzählt auch von Wut und Aggression, Widerstand und Rebellion, von der Macht des Weiblichen, der Verbrüderung (passender hier wohl eher: Verschwesterung) der Angestellten und von – unserem Kulturkreis fremden – spirituellen, dämonischen und magischen Kräften.

Dass wir Teil dieses Systems sind, lassen sie uns mehrfach spüren. Die direkte Ansprache des Publikums, in Wien werden osteuropäische „Perlen“ beschäftigt, machte ihr Thema zu einem globalen. Wie auch die universelle Furcht vor Diebstahl und anderen kriminellen Akten, davor, dass der Ehemann sich zu sehr für sie interessiert oder dass Opa ihr all sein Geld vermacht. Die Fülle an unterschiedlichsten Aspekten, Vorurteilen, Zuschreibungen, Erfahrenem und Erdachtem ist gewaltig.

Mit dem Ende skizzieren sie die Lösung (nicht nur) dieses Problems. Ein Haufen aus Chili, Salz und Kurkuma, den sie mit ihren Besen kreisförmig verteilen, wird zum Symbol für alle Schätze dieser Erde. Die beiden Tänzerinnen nehmen eine Hand voll davon und gehen ab. Und das Publikum fegt zum Song „Workbitch“ den Staub zusammen. Mit den vordem für die Opfer aufgehängten und von den Zweien ins Publikum gereichten Besen. 

„Macht euren Dreck alleine weg!“ Post- und Neo-Kolonialismus und Patriarchat als Angeklagte, wir als nutznießende Mittäter und die Selbstermächtigung unterdrückter Frauen und Völker hinterlassen einen bitteren Geschmack auf den Zungen der ihren Führungsanspruch immer wieder vollmundig proklamierenden Demokratien dieser westlichen, „ersten“ Welt.

Eisa Jocson und Venuri Perera mit „Magic Maids“ am 11.10.2024 im Tanzquartier Wien.

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