Bereits zum 9.Mal war das „Inklusive Tanz-, Kultur-, und Theaterfestival“ zu erleben. Ein Festival, das mittels Kunst Tore öffnet: Für alle AkteurInnen mit Beeinträchtigung, die derart einen weiteren Eintritt finden in eine Alltagswelt, die ihnen immer noch so manches Mal nicht offensteht; und für alle anderen AkteurInnen sowie für das Publikum (869 an der Zahl), die Eintritt finden in eine etwas andere, manchmal auch etwas kompliziertere Lebenswelt.
Gleichzeit aber auch in eine, in der vieles, ob Schönes, Erfreuliches, Interessantes oder Beängstigendes, Ärgerliches, Trauriges völlig gleich ist mit dem, was gemeinhin als Norm-Welt empfunden wird. Zwei der 18 Veranstaltungen seien hier Beispiele für diese zahlreichen Gemeinsamkeiten.
In dem für STELLA*23 nominierten Tanztheater „Hexen“ (Kooperation von „tanz.sucht.theater“ und Dschungel Wien) wird ein Tor in deren Welt, in die sogenannter Hexen geöffnet. In eine, von der doch alle wissen: sie ist bevölkert von grauslichen, bösen, gefährlichen Wesen. Aber siehe da: Dieses Vorurteil stimmt ja gar nicht, denn bei genauem Hinsehen sind es zwar ein wenig andere Geschöpfe, aber grundsätzlich sind sie – wie überall und bei allen anderen auch – teilweise liebe oder unsympathische, freundliche oder grantige, aggressive oder einfühlsame, ängstliche oder mutige, rachsüchtige oder großzügige Lebewesen. Und: viele tanzen gerne, was sie mehrfach mit viel Schwung und mitreißendem Rhythmus auf der Bühne zeigen. Ansteckend ist aber auch ihre Freude an Geheimnisvollem, wie es ihre Zauberkünste darstellen. Und ansteckend sollte ihre Erkenntnis sein, dass oftmals besseres Zuhören, Hören auf den anderen notwendig wäre; und, daraus folgend, ein überlegtes Handeln: Ein Agieren, das Raum lässt für jeden und jede. Ganz einfach umzusetzen sind derlei verhexte Anregungen freilich nicht, aber umso nachahmenswerter.
Vergleichbares gilt auch für das, was sich die bunte, kleine Menschenschar, bezüglich „Sinnlos ist Viel und Nichts“ durch den Kopf und tief ins Herz gehen lässt. Auf die Bühne gebracht und ebendort gleichermaßen abwechslungsreich und unterhaltsam wie denkanregend unter der Regie von Julia Gratzer umgesetzt: von (angehenden) KünstlerInnen, die dank der im Jänner 2024 von LebenGroß gegründeten Theaterakademie für Menschen mit Behinderung bald im zweiten Jahr ihrer Ausbildung stehen. Es ist ein sehr mutiges Unterfangen, Fragen zur Sinnlosigkeit des Lebens zu stellen – diese kaum zu beantwortenden Fragen stellen sich aber schließlich Hexen und alle anderen Lebewesen in gleichem Ausmaß, nicht wahr!
Wunderbar spielerisch-tänzerisch wird da sehr konkret aber auch bilderreich metaphorisch laut nachgedacht: ‚Konkret‘ wird das Nachdenken, wenn etwas der notorische Zweifler und Miesmacher, der ironisch Fragende (und zeitweise Kommentator),der offensichtlich aber auch selbst und an sich selbst leidet, von einer der Hoffnungs-Trägerinnen nahezu körperlich bedroht, ja vor sich hergetrieben und vertrieben wird: Ähnlich mutiges Vorgehen stünde so manchem geistreichen Theoretiker gut an(!). Und auch die Authentizität, die über die Bühnenrampe schwappt, sucht Ihresgleichen. Es sind zahlreiche kleine Szenen, Gedanken-Spiele und innere, teilweise tief persönliche Kämpfe, Emotionen und Verunsicherungen, die hier unmittelbar, in ebenso einfacher wie klarer Form visualisiert werden. Manch, wenn auch nicht unbekannte Frage wie: ‚Vielleicht nehmen wir uns zu wichtig?‘ wirkt in diesem Rahmen, in dieser Aufbereitung (immer noch) wesentlich und überdenkenswert. Und wenn auf die Frage: Was ist von Bedeutung? als eine Art Antwort auf der Bühne formuliert wird: Ich habe Sehnsucht nach Widerhall‘, dann, dann gewinnt auch eben diese ehrliche Frage ans Publikum mehr Griffigkeit als normalerweise. Und so greift auch manche, mancher aus den Reihen tatsächlich nach dem Mikrofon. „Dass jeder Mensch Teil sein kann“, lautet eine Antwort. Geduld mag eine weitere sein. Und wie sehr diese von Wert ist, zeigte, dass viel Zeit gelassen wurde für eine vielleicht doch noch weitere Antwort – und sei es nur eine wortlose. „Lass uns… ein andermal vielleicht…“: mit diesen Worten, mit einer nachdrückliche Aufforderung in aller Offenheit klang diese mutige, außergewöhnliche und überaus sehenswerte Vorstellung aus.
InTaKT, 7. bis 11. November: "Hexen" am 9. November im Theater am Ortweinplatz; "Sinnlos ist Viel und Nichts" am 11. November im Salon Stolz,