Das Bauhaus, avantgardistische Werkstattschule der Zwischenkriegszeit (1919 bis 1933) ist in vielerlei Hinsicht für die Kunst- und Architekturentwicklung bis heute richtungsweisend. Wie zentral Bewegung und Tanz bei den Forschungen der Kunstrevolutionäre war, dokumentiert die vorliegende Publikation „Das Bauhaus tanzt“ von Torsten Blume. Auf einer eigenen Bauhaus-Bühne wurde die Interaktion von Raum, Skulptur und menschlicher Bewegung experimentell ausgelotet. Die damaligen Recherchen zum Verhältnis von Mensch und Technologie sind für die zeitgenössischen Tanz- und Performancekunst ebenfalls bis heute relevant.
Das berühmteste „Bauhaus-Ballett“ (das allerdings dort weder entstand noch aufgeführt wurde) ist Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ mit seinen, in sperrigen Kostümen gekleideten Figuren, die bezeichnende Namen wie Goldkugel, Drahtfigur oder „Spirale“ trugen und den Bewegungradius definierten. Doch auch andere Künstler setzten sich, wenn schon nicht dem Tanz, dann zumindest mit der Bühne auseinander. Während Schlemmer noch vom tanzenden Menschen ausgeht, beschäftigten sich Künstler wie Ludwig Hirschfeld-Mack oder László Moholy-Nagy mit Lichtspielgeräten oder Walter Gropius mit „Raumapparaten“. Allen Experimenten lag die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine zugrunde, die ja auch schon in der Ballettliteratur des 19. Jahrhunderts fasziniert hat und heute ein immanenter Bestandteil zeitgenössischer Tanz- und Performancekunst ist.
„Im Zentrum dieser experimentellen Neuverhandlungen des Menschenbildes stand die Bauhausbühne mit ihren theatralen Tanz- und Pantomimen-Studien, Bühnenbildern, Theaterarchitekturen, performativen Festen und Licht-Raum-Experimente,“ schreibt Blume, und zitiert Oscar Bie, der 1929 folgende Zielsetzungen ausmachte : „… die Bühne des Bauhauses hat ihre besondere Mission erkannt. Sie heißt: Bewegungskunst in Beziehung zu reinen Raumausdruck und reinen Materialausdruck. Einreihung des menschlichen Rhythmus in den Rhythmus der abstrakten Struktur. Im weitesten Sinn kann man das ‚Tanz’ nennen.“ Zum Unterrichtsprogramm gehörte daher konsequenterweise von Anfang an körperliche Übungen.
In sechs Kapiteln beschreibt Blume die im Bauhaus entstandenen Kunstfiguren, Bauhaustänze, Bühnenmaschinen, Raumapparate und Raumkollektive und illustriert den Text mit zahlreichen Abbildungen. Im letzten Abschnitt erfährt der Leser von den angewandten Reflexionen und heutigen Bühnenexperimenten am Bauhaus Dessau. In der Projektserie „Play Bauhaus“ werden verschiedene Spielregeln und Versuchsanordnungen auf der historischen Bauhaus-Bühne noch einmal spielerisch ausprobiert. Dabei geht es nicht eine Wiederholung oder Rekonstruktion, sondern „um das Erkunden der Bauhaus-Perspektive, aus der die Bühne zum Medium für ein darstellendes Gestalten werden kann … Die Frage ist: Was lässt sich heute mit den ‚Spielzeugen’ und Spielregeln des alten Bauhauses Neues anfangen.“
Die Publikation erschien anlässlich der Ausstellung „Das Bauhaus tanzt. Die Bühne als Raumapparat“ im Bayer Erholungshaus, Leverkusen und ist eine Produktion der Stiftung Bauhaus Dessau in Kooperation mit Bayer Kultur, die vom Autor kuratiert wurde.
Torsten Blume: „Das Bauhaus tanzt“, E.A. Seemann Verlag, 2015, Leipzig.
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