Wenn der österreichische Arzt, Psychiater, Neurologe und Philosoph Viktor E. Frankl (1908-1994) von der „einen Menschheit“ redet, so stößt das in Zeiten, in der in Europa erneut ein grausamer Krieg tobt, auf erhöhte Resonanz. Trotz seiner eigenen bitteren Erfahrung als Holocaust-Überlebender ist es ihm gelungen, mit der von ihm entwickelten Existenzanalyse und Logotherapie Instrumente für positive und humanistische Antworten auf Lebenssinnfragen zu geben. Die neue Ausstellung im Wiener Viktor Frankl Museum macht sie erlebbar.
Nach dem Monotheismus, fand Viktor Frankl, sei es nun an der Zeit den Menschen in den Mittelpunkt des Glaubens zu stellen, und nannte diesen Monanthropismus. „Mehr denn je brauchen wir heute das Wissen um die eine Menschheit, das hinausgeht über alle Mannigfaltigkeiten, sei es solche der Hautfarbe oder der Parteifarbe“, sagte der, nach Freud und Adler, Begründer der Dritten Wiener Schule der Psychotherapie. Er sah das Hauptmotiv des Menschseins in der Suche nach dem Sinn des Lebens und baute darauf seine Methode der Logotherapie auf, in einer Synthese aus Psychiatrie, Psychotherapie und Philosophie.
Sein erstes Buch nannte er „Die Ärztliche Seelsorge“, das unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg erschien. Über seine Erfahrungen in vier Konzentrationslagern, die er als einziger seiner Familie überlebte, schrieb er das Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“. Bis zu seinem Tod 1994 wurde es in 26 Sprachen übersetzt und zehn Millionen Mal verkauft. Frankl war ein analytischer Denker. Selbst in diesem Buch, in dem er nicht die Absicht der Folterer im KZ, sondern die Wirkung des Lagerlebens auf die Häftlinge anhand seiner persönlichen Erfahrungen beschreibt, behält er die wissenschaftliche Distanz zum Erlebten. „Aus all dem können wir lernen: es gibt auf Erden nur zwei Menschenrassen, aber auch nur diese beiden: die ‚Rasse‘ der anständigen Menschen und die ‚Rasse‘ der unanständigen Menschen. Und beide ‚Rassen‘ sind allgemein verbreitet: in allen Gruppen dringen sei ein und sickern sie durch…“
Insgesamt verfasste Frankl 39 Bücher und hielt Vorträge auf der ganzen Welt. Ab 1955 war er Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien. Gastprofessuren führten ihn in die USA an die Universitäten von Havard, Dallas und Pittsburgh und er erhielt 29 Ehrendoktorate.
Das Viktor Frankl Zentrum Wien initiierte und leitet das 2015 gegründete, weltweit erste Museum über die Arbeit des Pioniers der Psychotherapie und hat zum Ziel Fachleute, interessierte Laien sowie Schüler*innen mit der originären Lehre Frankls vertraut zu machen. „Kurse, Seminare, Workshops, Vorträge, Buch- und Filmdokumentationen vermitteln Menschenbild und Methoden eines Heilungsansatzes, der wie kaum ein anderer geeignet ist, sich den Problemen unserer krisengeschüttelten Welt konstruktiv und wegweisend zu stellen“, lautet die Selbstbeschreibung.
In diesem Sinne bietet das Viktor Frankl Museum Wien nun in neuer Aufmachung einen erweiterten Blick in die Welt der Logotherapie und Existenzanalyse und setzt sie zu anderen Wissens- und Praxisfeldern wie der Pädagogik und der Wirtschaft in Beziehung.
Anhand von interaktiven Installationen wird für den*die Besucher*in der Ausstellung „Die EINE Menschheit“ die eigene Gestaltungsmöglichkeit seiner*ihrer Welt erkennbar, gemäß dem Untertitel: „In jedem Augenblick gestaltest du dich und die Welt“. Die Anordnungen in den liebevoll gestalteten Räume bieten eine Art selbsttherapeutische Erfahrung, laden im Restaurant „Zum guten Geist“ zum Schmökern von Frankls Schriften und Büchern ein oder dazu, sich mit den 10 Thesen zur Person auseinanderzusetzen.
„Die geistige Freiheit des Menschen, die man ihm bis zum letzten Atemzug nicht nehmen kann, lässt ihn auch noch bis zum letzten Atemzug Gelegenheit finden, sein Leben sinnvoll zu gestalten“, schrieb Frankl. Und: „Wir alle leben auf einem Planeten, wir alle sind verantwortlich“ ist einer der Leitsätze der Ausstellung, der in der krisengebeutelten Zeit aktueller denn je ist.
1. Viktor Frankl Museum Wien, Mariannengasse 1/15, 1090 Wien, Öffnungszeiten: Montag, Freitag, Samstag, 13 bis 18 Uhr