Eine große Sonderausstellung im Kunstmuseum Basel widmet sich derzeit der ersten Avantgarde-Bewegung des 20. Jahrhunderts: dem Fauvismus. Anhand von rund 160 Werken präsentiert die hervorragend kuratierte Ausstellung die variationsreichen Farbexperimente von Malern wie Henri Matisse, André Derain, Georges Braque, Raoul Dufy und Kees van Dongen.
Die Fauves („wilde Tiere“, ein Begriff, den der Kritiker Louis Vauxcelles 1905 prägte) waren eine Gruppe von Künstlern, die mit etablierten Kompositionsprinzipien brechen wollten. Vollkommen neu und von der zeitgenössischen Rezeption geradezu als schockierend empfunden, war die für die Fauves typische Verwendung von starken, ungemischten Farben und ein dynamischer, haptischer Pinselstrich. Die Maler beriefen sich dabei nicht auf ein klares ästhetisches Programm oder Manifest, auch kamen sie aus heterogenen sozialen und künstlerischen Milieus. Ihr gemeinsames Interesse war die Malerei der Post- und Neo-Impressionisten, also v.a. von van Gogh, Cézanne, Seurat und Gauguin.
Das Kunstmuseum Basel zeigt wesentliche Exponate der Fauves im Kontext der Kunstwelt des beginnenden 20. Jahrhunderts. In den großzügigen Räumen des Neubaus wird ein Spektrum an Arbeiten aus den Jahren 1904-1908 präsentiert, darunter André Derains Gemälde „La Danse“ (1906), „La Plage rouge“ (1905) von Henri Matisse und „Les Passants“ (1906-1907) von Raoul Dufy.
Im Zentrum vieler der gezeigten Werke steht die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten einer Darstellung der Figur. Die relativ kleine, wunderschöne Bronzefigur „La Serpentine“ (1909, 56,5 cm hoch) von Matisse zieht dabei den Blick auf sich. Es scheint, als würde sie ihren Körper zeigen und zugleich über ihn nachdenken. Ein Diskurs im Diskurs. Gelassen, elegant, versonnen, selbstverständlich. In der Holzskulptur „La Danse“ (1907), ebenfalls von Matisse, bleiben die Konturen unschärfer, die sich bewegenden Körper ragen reliefartig aus dem Material heraus.
Es zeichnet die Basler Ausstellung aus, dass sie die Perspektive der Fauves, einer reinen Männerrunde, mit den Blicken von Künstlerinnen vereint. Denn auch die Malerinnen interessierten sich für neue Ausdrucksmöglichkeiten und für das Motiv des Körpers. So ist es zum Beispiel sehr spannend, André Derains „La Femme en chemise“ (1906), einem der zentralen Werke der Ausstellung, mit dem weniger bekannten Autoportrait von Émilie Charmy (1906) vergleichen zu können. Sowohl bei Derain als auch bei Charmy bildet die locker fallende Kleidung ein wesentliches Bildmoment. Ein über die Schulter und Brust gleitender Stoff - einmal Hemd, einmal Kleid – stellt eine Parallele her. Doch während Derains sitzende Frau uns direkt ansieht, ja unsere Blicke zurückwirft, malt sich Émilie Charmy liegend, mit geschlossenen Augen und geröteten Wangen. Sie inszeniert ihren Körper, ohne sich durch zu Beginn des 20. Jahrhunderts geltende soziale Normen und Geschlechterrollen begrenzen zu lassen.
Neben Émilie Charmy ist es Marie Laurencin, deren Bilder sich mit der Kunst des Fauvismus assoziieren lassen. Von Laurencin zeigt das Kunstmuseum u.a. das Bild „Diane à la chasse“ (1908). Vertreten wurde Marie Laurencin von der einflussreichen Kunsthändlerin Berthe Weill. Die Fauves von Anfang an unterstützend, war Weill eine der wenigen, die eben auch Künstlerinnen ausstellte und förderte. Zu sehen ist in Basel ein von Émilie Charmy gemaltes Porträt von Berthe Weill (1910-1914).
Zur Ausstellung ist ein großartig gestalteter Katalog erschienen (Deutscher Kunstverlag), der neben umfangreichen Bild- und Fototafeln auch verschiedene Essays zum Thema Fauvismus versammelt. Darin geht es u.a. um die Bedeutung der Mode, insbesondere mit Blick auf die Kleider und Hüte von Amélie Matisse, um die Rolle des Kunsthandels sowie um die Bildsprache des Stilllebens. Auch ohne einen Besuch im Basler Kunstmuseum ist die Publikation sehr empfehlenswert.
„Matisse, Derain und ihre Freunde. Die Pariser Avantgarde 1904-1908“ im Kunstmuseum Basel ist noch bis 21. Jänner 2024 zu sehen.