Körper, Kunst und Mode. Feuerbach und Lagerfeld in der Kunsthalle, Coco Chanel im Museum für Kunst und Gewerbe – in Hamburg können sich Modefreunde über zwei spannende und stilvolle, jedoch total unterschiedlich konzipierte Ausstellungen freuen.
Bei den Vorbereitungen für die Chanel-Schau habe man festgestellt, erzählt Angelika Riley, Kuratorin im Textilbereich des Museums für Kunst und Gewerbe, dass man mehr Nachahmungen und Anlehnungen an Chanel habe als Originale. Um das zu ändern wurden vor Beginn der Ausstellung, die auch schon in Mettingen und Den Haag zu sehen war, zwölf zusätzliche Modelle erworben. In Glasvitrinen (ach, zu gern würde man Stoffe befühlen und Nähte erspüren) sind diese und viele weitere Stücke nun zu bewundern. Insgesamt werden 54 originale, teils mehrteilige Outfits aus dem Haus Chanel gezeigt. Zum Vergleich kommen verschiedene Adaptionen aus anderen Ateliers hinzu. Borten überall, klare, gerade Schnitte. Auch das kleine Schwarze, das so oft mit Coco Chanel assoziiert wird und eigentlich gar nicht von ihr stammt, kann man in vielfacher Variation betrachten. Schnittmuster, Entwürfe, Schmuckstücke, Skizzen, Fotos und Filme ergänzen das Ganze.
Den dramaturgischen Rahmen der Ausstellung bilden biographische Daten und kreative Schaffensphasen. Letztlich aber ist es das Werk von Coco Chanel (1883-1971) selbst, das im Mittelpunkt des Interesses steht. Es geht um handwerkliches Können, künstlerische Impulse und soziale Veränderungen. Bis zu achtmal am Tag sollte sich die Frau von Gesellschaft zu Beginn von Chanels Karriere noch umkleiden. Zu viel befand die junge Gabrielle, die sich erst später Coco nannte. Lieber ein einziges schlichtes Kleid, das man mit variierendem Modeschmuck aufpeppte. Man brauchte diesen nur in die Handtasche zu packen und schon hatte man die vielfältigsten Looks parat. Aber nicht nur ihre Mode machte Chanel reich und berühmt. Allein mit dem Verkauf ihres Parfums „Chanel No 5“ konnte sie sich finanzieren. Ein Originalflakon des berühmten Duftes, nostalgisch verblichen sein Etikett, ist ein Highlight der Schau.
Die Perfektion in der Verarbeitung, der gute Sitz, der Tragekomfort, all das mache das Besondere von Chanels Mode aus, so betont Ausstellungsmacherin Maria Spitz von der Draiflessen Collection Mettingen. Und sie unterstreicht dabei immer wieder, dass dieser Qualitätsanspruch auch unter Karl Lagerfeld gültig blieb. Lagerfeld, seit 1983 künstlerischer Leiter bei Chanel, sei es gelungen, die Marke zu modernisieren, ohne ihre typischen Merkmale zu verleugnen. Ein gelber Jumpsuit aus Pailletten und Seidenorganza, 1991 entworfen und in der Ausstellung präsentiert, steht beispielhaft für diesen Anspruch.
Gleichfalls um Karl Lagerfeld, aber um einen ganz anderen Bereich seines Werkes, geht es in der Ausstellung „Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models“ in der Hamburger Kunsthalle. Wo ist da der Anknüpfungspunkt, die Gemeinsamkeit? Erstaunt fragt man sich, was Anselm Feuerbach (1829-1880), jenen Maler, den es wie so viele deutschsprachige Künstler des 19. Jahrhunderts nach Italien zog, mit dem Modezar unserer Zeit verbinden soll. Eine Kontrastkoppelung nennt das Hubertus Gassner, der Direktor der Kunsthalle, und irgendwie klingt das sehr technisch. Steht man aber erst einmal in den großzügigen Räumen der Kunsthalle, so bekommt die Zusammenführung durchaus ihren Reiz. Die Frage nach den Schnittstellen bleibt und sie erweist sich als ausgesprochen interessant.
Seine Muse, die schöne Römerin Anna Risi (1812-1892), genannt Nanna, malte Feuerbach ab 1861 immer wieder, geradezu obsessiv. Meistens als Halbfigur, in verschiedenen Inszenierungen, oftmals in Szenen und Posen, die der Antike nachempfunden sind. Anna Risi war für Feuerbach zugleich Modell, Muse und Geliebte. Über 30 Gemälde verschiedenen Formats, Bilder von zeitloser Schönheit, stammen aus den fünf Jahren ihres Zusammenseins, die meisten von ihnen sind in der Ausstellung zu sehen.
Karl Lagerfelds 2013 entstandene Fotoreihe, die mit den Bildern Feuerbachs zusammen gezeigt wird, trägt den Titel „Moderne Mythologie“. Sie besteht aus rund 60 Schwarz-Weiß-Fotografien, teilweise in einem aufwendigen Verfahren auf silber- und goldfarbenes Gewebe gedruckt. Ähnlich wie Feuerbach Anna Risi in den Mittelpunkt seiner Bilder rückte, so bestimmen bei Lagerfeld Baptiste Giabiconi und Bianca Balti diese Serie. Die beiden aus Frankreich und Italien kommenden Models verkörpern in Lagerfelds Werk, einer Art Fotoroman, das berühmte Liebespaar Daphnis und Chloe aus der Erzählung des griechischen Dichters Longos. Lagerfelds Sicht auf die arkadische Romanze bleibt dabei der Moderne bewusst verhaftet. Die Inszenierung der Blicke und Posen, das Styling der Models zitieren die Antike in einer Weise, in der die Szenen fern jeder Natürlichkeit wirken. Es ist ein Grenzgang zwischen Kunst und Kitsch, Ironie und Verklärung. Nicht umsonst nahmen die Ausstellungsmacher nach ein paar Versuchen wieder Abstand von dem ursprünglichen Plan, die Werke von Feuerbach und Lagerfeld zu vermischen. Eine gemeinsame Ausstellung, aber getrennte Räume: die bessere Lösung.
Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg: „Mythos Chanel“ bis zum 18. Mai 2014
Hamburger Kunsthalle: „Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models“ bis zum 15. Juni 2014
Außerdem: Museum Folkwang, Essen: „Karl Lagerfeld: Fotografie – Buchkunst – Mode“, bis zum 11. Mai 2014
Publikationen:
Maria Spitz (Hg.): „Mythos Chanel“, Draiflessen Collection Mettingen
Abgesehen von einem kleinen Booklet gibt es keinen Katalog zur Doppel-Ausstellung Feuerbach/Lagerfeld.
Einzeln: Museum Wiesbaden und Hamburger Kunsthalle: „Nanna – Anselm Feuerbachs Elixier“ und Karl Lagerfeld: „Moderne Mythologie“, Steidl Verlag 2014
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