Besessen, rebellisch, umstritten, verfolgt. Dem österreichisch-amerikanischen Psychiater Wilhelm Reich (1897–1957) widmet Regisseur Antonin Svoboda nach einer Dokumentation auch einen Spielfilm. Klaus Maria Brandauer verkörpert eindrucksvoll den vom amerikanischen Geheimdienst gejagten Rebellen und Provokateur
Wilhelm Reich, noch als Student 1920 in von Sigmund Freud in die Wiener analytische Gesellschaft aufgenommen und später wieder verstoßen, war ein Nonkonformist. Als Pionier des ganzheitlichen Denkens akzeptierte er weder Dogmen noch Denkverbote. Nicht nur von den Nationalsozialisten wurden seine Bücher verbrannt, auch nach seiner Emigration in die USA hatte er kein ruhiges Leben. Seine unorthodoxen Therapiemethoden und vor allem seine Kritik an der Atomforschung konnte in der Ära des McCarthy-Terrors nicht geduldet werden. Zuerst musste er eigenhändig seine Orgon-Akkkumulatoren zerstören, danach wurde er wegen Betrugs angeklagt und zu zwei Jahren Haft verurteilt. das kam einem Todesurteil gleich: Unter ungeklärten Umständen ist Wilhelm Reich in der Gefängniszelle gestorben.
Svoboda konzentriert sich, unterbrochen von kurzen Rückblicken, auf die letzten Jahre Reichs, führt aber auch einen zweiten Erzählstrang, der die Methoden zeigt, wie in den 50er Jahren in den USA Menschen mittels Elektroschock „umprogrammiert“ werden sollten. So erscheint der Film in vielen Passagen mehr als eine Anklage gegen das amerikanische System während das Kalten Krieges als ein stringentes Bild des vielschichtigen Charakters von Wilhelm Reich. Was Reich auszeichnete war sein ganzheitliches Denken, seine Neugier und sein unbremsbarer Forschergeist. Hauptdarsteller Brandauer charakterisiert den Kern von Reichs labyrinthischem Gedankengebäude treffend: „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.“ Sehenswert wird der Film vor allem durch die großartigen Landschaftsbilder von Kamermann Martin Gschlacht. Ihm ist es gelungen, den US-Staat Maine ins Waldviertel zu versetzen. Die aufregenden Szenen in der Wüste von Arizona wurde im spanische Almeria gedreht.
Mit der Dokumentation „Wer hat Angst vor Wilhelm Reich“ hat Svoboda schon 2009 einen Film über das Leben Reichs gedreht, mit dem Spielfilm über die letzten Jahre zeigt er eine bebilderte Chronik, in der die Menschen rund um die Hauptfigur zwar ziemlich hölzern wirken, der jedoch das Verdienst hat, den weitgehend vergessenen Feuerkopf Wilhelm Reich wieder ins Gedächtnis zu rufen und klar zu machen, wie viel seines Gedankengutes heute nahezu selbstverständlich ist. Dass Wilhelm Reich dennoch ein Rätsel bleibt, würde ihn selbst nicht stören.
Der Fall Wilhelm Reich (The Strange Case of Wilhelm Reich) mi Klaus Maria Brandauer, Regie und Drehbuch: Antonin Svoboda. Ab 18. Jänner 2013 im Kino.