Die Viennale, das Wiener Filmfestival, ist bereits um einiges älter als der Großteil ihrer Besucher. Zum 51. Mal findet sie heuer statt, vom 24. Oktober bis 6. November mit einem überaus reichhaltigen Programm statt.
Einzigartiges Festival. Längst bietet die Viennale nicht eine Auswahl der besten Filme anderer (und anders orientierter) Festivals, sondern hat durch ihren Direktor , Hans Hurch, und sein Team ein eigenständiges Profil erhalten. Sie ist sowohl Publikumsfestival für die breite, kinointeressierte Öffentlichkeit als auch eine Bestandsaufnahme der internationalen Filmkultur auf hohem ästhetischen und politischen Niveau. Man muss das Viennale-Licht nicht unter den Scheffel stellen: Die Viennale ist einmalig.
300 Spiel- und Dokumentar- und Kurzfilme sind in den 14 Festivaltagen zu sehen und wem das nicht genügt, der findet neben dem Hauptprogramm ausgewählte Tributes und Special Programs, sowie die Retrospektive (diesmal: Jerry Lewis gewidmet), die gemeinsam mit dem Österreichischen Filmmuseum veranstaltet wird. Diskussionen, Lectures sowie Ausstellungen und Konzerte geben den Kinoprogrammen den reflexiven Rahmen. Und natürlich lädt auch das Festivalzentrum in der Alten Post (Dominikanerbastei 11, 1010)) zu nächtlichem Treiben, zur Kontaktaufnahme und Entspannung ein.
Weil die Auswahl der Filme mit solcher Sorgfalt und cinéastischem Wissen erfolgt, genügt es auch, eine Seite des dicken Katalogs aufzuschlagen und mit dem Finger auf einen Film zu tippen: Man kann nicht falsch liegen. Oder den praktischen Pocketguide mit dem eigenen Terminkalender zu koordinieren und Zeit und Ort zu wählen. Es passt immer. Selten noch habe ich das Kino, ob Spielfilm oder Dokumentarfilm (da werden immer Leckerbissen geboten, die kaum ins reguläre Kino kommen), nicht beglückt oder wenigstens zufrieden verlassen.
Wer sich nicht im Labyrinth verirren will, hält sich an Direktor Hurch. Er schlägt 13 Filme vor, die eine herausragende Position einnehmen, inhaltlich und ästhetisch unverwechselbar sind. Bei der Arbeit „Die Schwärmer“ von Johanna Pauline Maier werden wir uns treffen. Eine Auseinandersetzung der Regisseurin mit Robert Musil und seinem Theaterstück „Die Schwärmer“ , das Maier bei näherem Hinsehen einiges Unbehagen bereitet hat.
13 Vorschläge werde ich nicht machen, aber verraten, was ich gerne sehen würde. Etwa den argentinischen Film „El Loro Y El Cisne / Der Papagei und der Schwan“, der vom Tanzen und Tanzen lernen, vom Filmemachen sowie von der Liebe erzählt und eigentlich einen Film im Film zeigt. Loro heißt der Toningenieur, in den sich schließlich Luciana, der Schwan, unsterblich verliebt. Ein Film, der zum Lachen bringt, zumal Odette, der einst zarte Schwan, vom etwas langweiligen Prinz Siegfried geschwängert worden ist.
Mit Sprachwitz und Situationskomik lockt auch der deutsche Film „Das merkwürdige Kätzchen“, der von einer Familienzusammenkunft erzählt, bei der Katze und Hund eine Rolle spielen. Und weil auch der chronologische Horizont der Viennale weit gespannt ist, kann ich mir auch „Lancelot du Lac“ (Sie wissen schon: Arthus und die Tafelritter) von Robert Bresson aus dem Jahr 1974 ansehen. Sogar ein Film von und mit Charlie Chaplin wird geboten: „Modern Times“ ist 1936 entstanden und sichert auch heute noch schauderhaftes Vergnügen. Neu hingegen ist der französisch-deutsche Film, den Arnaud des Pallières nach Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ mit dem großartigen dänischen Schauspieler („Die Königin und der Leibarzt“, nach Per Olov Enquist) Mads Mikkelsen in der Titelrolle gedreht hat. Kein Kostümschinken und keine Gewaltorgie. Des Pallières reduziert, bleibt kühl und beherrscht und weckt die Emotionen auf dem Umweg über den Kopf.
Noch nicht genug.
Unbedingt will ich die Tänzerin Stephanie Cumming als Filmschauspielerin sehen. Gustav Deutsch hat sie in die Bilder von Edward Hopper hineingesetzt und lässt sie in 13 Tableaux vivants die fiktive amerikanische Schauspielerin Shirley sein, deren Gedanken und Überlegungen den Betrachtern der Bilder Hoppers mitgeteilt werden. 92 genussreiche Minuten sind uns mit „Shirly – Visions of Reality“ sicher.
Wer besondere Vorlieben für bestimmte Regisseure hat, findet die alphabetische Liste im Anhang des Katalogs; wer sich lieber von Titeln inspirieren lässt, kann ebenfalls nachschlagen. Da würde ich (ein Tipp noch sei erlaubt, es wird zu viel, zu viel!) „Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“ von Philipp Hartmann wählen. Auch bei diesem Dokumentarfilm bin ich mir mit Hurch einig. Der schöne Titel steht über einer heiter-ironischen Annäherung an die vierte Dimension. Nehmen wir uns Zeit dafür.
Viennale’13, 24. Oktober bis 6. November. Alle Informationen sind auf der Website zu finden.